Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Jeder zehnte deutsche Haushalt hat kein schnelles Internet
Eine Studie zeigt, dass Deutschlands digitale Infrastruktur im weltweiten Vergleich robust ist. Der Verein Cnetz fordert dennoch einen Neustart beim Breitbandausbau.
DÜSSELDORF Deutschland gehört zu den Ländern, die vergleichsweise gut auf das vom Coronavirus erzwungene virtuelle Zeitalter vorbereitet sind. Das zeigt eine Studie der amerikanischen Tufts-University. Durch die Einschränkungen aufgrund des Coronavirus wurden weltweit Menschen ins Homeoffice geschickt, statt Dienstreisen gab es Videokonferenzen und stationäre Händler mussten schließen, während der Online-Handel boomte.
Die Forscher haben daher untersucht, wie groß die in diesem Zusammenhang notwendige „Social distance readiness“von 42 Nationen ist. Als Maßstab wurde unter anderem die Belastbarkeit der digitalen Infrastruktur, die Verfügbarkeit bargeldloser Bezahlmöglichkeiten sowie die Nutzung und Robustheit von digitalen Kommunikationsangeboten bzw. Medien oder Online-Handel-Plattformen untersucht.
Weltweit schneiden die Niederlande und Singapur dabei am besten ab, Indien landet mit Abstand auf dem letzten Platz. Deutschland liegt in der Spitzengruppe – vor Ländern wie Frankreich, Israel, Japan oder Österreich. Generell sehen die Forscher in Europa aber viel Nachholbedarf. Die Internet-Geschwindigkeiten
seien in vielen Teilen Europas niedriger als in den USA insgesamt. Die Infrastruktur sei zudem häufig älter. Dienste, die hohe Bandbreiten benötigen, hätten daher teilweise ihren Datenverkehr reduzieren müssen. So hatte beispielsweise Netflix auf dem Höhepunkt der Krise angekündigt, die Videoqualität zu senken, um das Netz zu entlasten.
Der CDU-nahe digitalpolitische Verein Cnetz sieht dennoch gravierenden Verbesserungsbedarf in Deutschland. In einem Fünf-Punkte-Plan macht sich der Verein für einen Neustart beim Breitbandausbau stark, um schneller zu besseren Ergebnissen zu kommen.
So hatte sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, dass alle Haushalte bis 2018 Zugang zu einem Breitbandanschluss mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) haben. Dieses Ziel wurde verfehlt, zehn Prozent der Haushalte haben diesen Zugang bislang nicht. Cnetz kritisiert, dass damit 4,05 Millionen Haushalte nur eingeschränkt oder gar keine Teilhabe am Internet hätten. Gleichzeitig mangelt es in Deutschland auch an besonders schnellen Glasfaser-Anschlüssen. Mit einem Anteil von 3,6 Prozent liege man deutlich unter dem Durchschnitt von 26,8 Prozent der Industriestaaten (OECD).
Weil aber gleichzeitig mehr als 14 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung stehen, von 800 Fördervorhaben aber bislang nicht mal 50 fertiggestellt sind, fordert Cnetz den Neustart. Man müsse weg von der Komplexität der heutigen Einzelprojektprüfungen, hin zu einem System einfacher, pauschaler Zuschüsse, heißt es in einem Strategiepapier. Die Bürokratie müsse abgebaut werden. „Das Zusammenspiel der Akteure muss beschleunigt und verbessert werden“, sagt Cnetz-Sprecher Jörg Müller-Lietzkow.
Der Verein schlägt daher unter anderem vor, dass Anbieter, die als erstes einen Anschluss auf mindestens 1000 Mbit/s aufrüsten, einen Zuschlag bekommen. „Wer baut, bekommt direkt Geld“, heißt es in dem Papier. Je geringer die Bevölkerungsdichte oder je höher die Entfernungen sind, desto mehr Geld sollen die Betreiber bekommen. Um gleichzeitig den Aufwand zu reduzieren, schlägt der Verein eine oberirdische Verlegung von Leitungen oder die Anbindung per Richtfunk vor. Außerdem sollte Deutschland außerdem in Breitbandsatelliten investieren, um bereits innerhalb der nächsten zwölf bis 18 Monate eine kabellose Versorgung zu ermöglichen – so wie es Frankreich derzeit plane.