Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Zwei Frauen mit Herz auf großer Tour
Wegen Corona hat die Tafel einen Lieferdienst eingerichtet. Ulrike Inderfurth und Helga Schachtschneider machen den Job zusätzlich.
OSTERATH Donnerstag ist Packtag. Aber nur ausnahmsweise, weil der 1. Mai ein Feiertag ist. Helga Schachtschneider und Ulrike Inderfurth hieven die fertig befüllten Taschen in den Kofferraum. Rund 15 Kilo wiegt eine einzige. Der Inhalt: Mehl, Milch, Marmelade, Konserven, Nudeln und Süßigkeiten. Das Beladen geht ganz schön in die Knochen, stöhnt Helga Schachtschneider. „Aber es ersetzt den Besuch im Fitnessstudio“, sagt Ulrike Inderfurth und lacht. den Besuchsdienst im Lanker Elisabeth Hospital, organisiert wöchentlich ein Frühstücksbuffet im Malteserstift St. Stephanus in Lank und ist in der evangelischen Kirchengemeinde Strümp aktiv.
Den Lieferdienst haben die beiden Frauen vor zwei Wochen zusätzlich übernommen. „Wegen Corona können die Kunden die Lebensmittel nicht wie üblich selbst in unseren Ausgabestellen aussuchen, sondern wir packen Taschen, die einzeln nach Termin abgeholt werden“, erklärt Schachtschneider. 200 sind das insgesamt für die Ausgabestellen in Osterath und Büderich. Von denen werden 25 ausgeliefert, weil die Kunden einer Risikogruppe angehören, in Quarantäne sind oder aus anderen Gründen nicht zum Lager kommen können. An diesem Samstag machen die beiden Frauen gemeinsam ihre dritte Tour durch Osterath, Strümp und Lank. Gegen zehn Uhr geht’s los, noch vor der eigentlichen Ausgabe, die danach beginnt.
Die Zusatzschicht sehen sie als Gewinn. „Wir kennen ja die Leute sonst nur von der Ausgabe. Jetzt sehen wir, wo sie wohnen.“In den Flüchtlingsunterkünften etwa sei die Wohnsituation sehr beengt. „Trotzdem wollte uns eine Dame unbedingt zum Tee einladen“, erzählt Ulrike Inderfurth. Die Zeit hätten sie leider nicht. „Aber für ein Schwätzchen reicht es immer. Wir machen bewusst keine kontaktlose Taschen-Übergabe.“Dafür sind die Menschen sehr dankbar, einige hätten sogar geweint. Solche Erlebnisse
gehen ihnen nahe. Auch die alleinerziehende Mutter, die nach einer OP zu Hause ist und dort von ihrem zehnjährigen Sohn gepflegt wird. „Der geht wegen Corona derzeit nicht zur Schule und vermisst seine Freunde“, erinnern sich beide. „Seine traurigen Augen werden wir nicht vergessen.“
Ob sie Helden sind? „Ach was“, winken beide ab. „Das ist doch nicht heldenhaft. Es ist einfach schön, andere glücklich zu machen und ihnen ein bisschen von unserer Zeit zu schenken“, sagt Inderfurth. Ihre Kollegin ergänzt: „Ich habe keine Familie und bin seit 15 Jahren im Ruhestand. Das hier ist mein Familienersatz. Und es macht Spaß, mit vollen Händen austeilen zu können.“
Lob wollen beide nicht. Auch, dass sie nun von anderen als „Helden des Alltags“vorgeschlagen wurden und für die Zeitung fotografiert werden, ist ihnen eher unangenehm. „Wir machen doch nichts besonderes.“Sie würden auch nie verlangen, dass jeder sich ehrenamtlich engagieren muss. „Ich habe ja die Zeit“, sagt Ulrike Inderfurth. „Und meine erwachsenen Kinder sind froh, dass Mutter beschäftigt ist.“Andererseits finden es beide schade, dass sie manchmal für ihr Engagement belächelt werden. „Oder dass manche gar nichts von unserer Arbeit wissen wollen“, sagt Inderfurth. „Vielleicht“, vermutet Helga Schachtschneider, „hat das einfach ein bisschen mit schlechtem Gewissen zu tun.“Aber das sei ja Quatsch.