Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gott geht über unsere Vorstellun­gen weit hinaus

- VON WOLFGANG REINBACHER

Seit mehr als 60 Jahren stehe ich auf deutschen Theaterbüh­nen, aber eine solche Rolle hatte ich noch nie: Zur Zeit spiele ich am Düsseldorf­er Schauspiel­haus – Gott, in dem Stück „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“von Axel Hacke. Da stellt sich die Frage, wie man diese Rolle verkörpern kann, wenn man das zweite Gebot ernstnimmt: „Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren!“Wie kann man etwas spielen, das über den Menschen steht, das allmächtig gedacht wird und jedes Vorstellun­gsvermögen überschrei­tet? Ist nicht jeder Versuch, das Höchste,

das der Mensch annehmen kann, darzustell­en, schon ein Verstoß gegen das zweite Gebot? Ich habe für mich eine einfache Antwort gefunden: Man kann Gott wohl nur spielen, wenn man sich vorstellt, wie Gott selbst auf diese Frage antworten würde. Im Hacke-Stück geschieht das. Dort begegnet ein Mann Gott einfach im Park. Gott ist ansprechba­r und zugänglich. Und die beiden unterhalte­n sich über die großen Fragen: etwa über Gottes Allmacht. Wie kann Gott selbst das Unheil erklären, das Menschen angerichte­t haben und weiter anrichten? Wie das Unheil, das Unschuldig­en widerfährt? Gott antwortet darauf, dass er dem Menschen den freien Willen und die Entscheidu­ngskraft gegeben hat.

Dabei bleibt es nicht. Gott stellt auch sich selbst in Frage. Er überlegt, dass es vielleicht ein Fehler war, den Menschen mit der Willensfre­iheit auszustatt­en. Er entschuldi­gt sich dafür. Der Gott im Stück ist einer, der mit sich hadert und hofft, dass er vielleicht nochmal etwas Neues schafft, das ganz ohne Leid und Fehler ist. Damit beweist Axel Hackes Gott nicht nur Humor. Er gibt die Verantwort­ung für das Handeln auf dieser Erde an den Menschen zurück. Er sagt: „Ich habe nicht den einzelnen Menschen geschaffen, sondern das Leben.“Was der Mensch aus dem Leben macht, fällt in seine eigene Verantwort­ung. Mit all dem will ich sagen, dass der Gottesbegr­iff weit über unsere Vorstellun­gen hinausgeht. Wenn wir über das Wesen Gottes nachdenken, tun wir das mit unseren menschlich­en Kategorien, so stoßen wir immer wieder an Grenzen. Wenn man aber erkennt, dass Gott größer ist als wir selbst, dass er unser Denken überschrei­tet, dann folgt daraus für mich, dass sein Name mit Respekt zu behandeln, nicht zu verunehren ist. Von keiner Religion. In unserer Aufführung beklagt sich Gott darüber, dass er, so wie er auf dieser Parkbank gelandet ist, eine Erfindung der Menschen sei, dass man ihn nicht wirklich kenne und ihm nicht zuhöre. Ich glaube, auch das folgt aus dem zweiten Gebot: Respekt und Ehre zu erweisen bedeutet, dass man sich den Fragen des Lebens von Zeit zu Zeit stellt. Dass man ihnen nicht aus dem Weg geht. Ich nehme mir auf der Bühne heraus, Gott zu spielen, um mit den Zuschauern an die Grenzen des Denkens zu geraten und über lebenswich­tige Fragen nachzudenk­en. Axel Hacke tut

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FOTO: SANDRA THEN Wolfgang Reinbacher, Düsseldorf­er Schauspiel­er, spielt Gott auf der Bühne.

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