Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Großartiger Schwung auf 88 Tasten
Beatrice Rana und Yevgeny Sudbin sind junge Pianisten, die mit außergewöhnlichen Bach- und Beethoven-CDs auf sich aufmerksam machen.
Ja, das Thema. Es klingt schön, aber nicht aufregend. Und doch birgt es bereits manches Geheimnis, das diese Aufnahme zu etwas Außergewöhnlichem macht.
Beatrice Rana heißt die junge, aus Italien stammende Pianistin, die erstmals im Jahr 2013 mit einem zweiten Preis beim legendären texanischen Van-Cliburn-Wettbewerb auf sich aufmerksam machte. Eine erste CD ließ vor allem wegen Schumanns „Symphonischen Etüden“aufhorchen (bei harmonia mundi), dann wechselte sie den Labelpartner und nahm russische Klavierkonzerte auf – ganz ordentlich. Jetzt aber legt die Italienerin ihr Meisterstück vor: Bachs „Goldberg-Variationen“.
Schon im Thema verraten ein schöner, singender Ton und ein leichthin geperlter Triller: Achtung, hier kann sich Ungewöhnliches zutragen. Und ab der ersten Variation folgt dann ein einziges Feuerwerk aus pianistischer Klugheit, Fantasie, Präzision, Verzierungskunst – alles was es zu einem seriösen wie mitrei- ßenden Bach-Spiel auf dem modernen Flügel braucht.
Selbst nach mehrmaligem Hören kühlt die Begeisterung nicht ab, und es bleibt nur ein Schluss: Man muss diese Aufnahme ganz nah an die maßstabsetzenden neuen Einspielungen von András Schiff und Murray Perahia heranrücken. Wie Rana in der dritten Variation die Phrasen abrundet, wie sie diskret tänzelt in der siebten, wie sie in Moll grübelt und melancholisiert; ihre charmant getupfte Anschlagkunst in den Variationen 17 und 23, ihr feengleicher Einstieg in Variation 26, ihre Fähigkeit, leise zu spielen – man kann in diese Aufnahme hineinhören, wo man will, das Staunen will kein Ende nehmen.
Spätestens jetzt ist klar: Rana ist kein Wettbewerbs-Sternchen für ein paar Sommer, sondern eine ernsthafte Musikerin mit dem Zeug für eine Weltkarriere.
Nicht minder ernsthaft präsentiert sich seit Jahren der mittlerweile 37-jährige Russe Yevgeny Sudbin. Weiß der liebe Himmel – oder sein Management –, warum man diesen Mann so selten auf deutschen Büh- nen erleben kann. Man trifft ihn in Amerika und überall in Europa, doch nur einmal pro Jahr in Deutschland. Seit Jahren schon legt er Aufnahme um Aufnahme vor, von Haydn bis Rachmaninow, von Scarlatti bis Skrjabin. Viele sind preiswürdig.
Jetzt hat Sudbin einen über mehrere Jahre entstandenen Zyklus der fünf Beethoven-Konzerte abgeschlossen, mit Dirigent Osmo Vänskä. Während die Konzerte drei bis fünf mit dem Minnesota Symphony festgehalten wurden, setzt man für die kleineren Konzerte Nummer eins und zwei auf die Tapiola Sinfonietta.
Yevgeny Sudbin spielt staunenswert souverän, springlebendig, mit klug geformten Läufen und schroffen Akzenten, und vor allem mit vielen kleinen Kniffen der Binnengestaltung. Da bewegt sich die Musik nicht einfach von A nach B, sondern sie muss unerwartete Hindernisse umkurven und Spannungshürden überwinden. Mal fährt die Bassstimme unverhofft drein, dann bekommt ein heller Triller tatsächlich plötzlichen Drive. Doch Sudbin reiht all seine Erkenntnisse nicht bloß wie viele kleine Versatzstücke aneinander, sondern er bindet alles ein in einen großen, oft dramatischen Fluss. So wird’s große Kunst.
Mit Vänskä und dem Orchester bildet Sudbin eine Einheit, man duelliert sich, man neckt einander, dialogisiert und philosophiert. All das gelingt mit Feuer und Sorgfalt, keck und ernsthaft. Jetzt würden wir gern wissen, wie Sudbin mit Beethovens Sonaten umgeht. Aber das kann ja noch kommen – genauso wie vermehrte Auftritte in Deutschland.