Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Hunde haben keine Schuld
Ich bin selber mit meinen sechs Hunden mehrfach täglich in der Natur in Meerbusch unterwegs und kann dadurch auch viele Veränderungen beobachten. Den Hundehaltern die Schuld an der Landflucht der Wildtiere zu geben, halte ich für etwas weit hergeholt. Denn: Laut dem Artikel und nach meinen Beobachtungen flüchten die Wildtiere in die Stadt. Wer lebt außer dem Menschen in der Stadt? Richtig: Hunde und Katzen. Seltsam, dabei flüchten Wildtiere laut Herrn Meyer-Ricks doch vor diesen? Ich erlebe selber auch immer wieder uneinsichtige Hundehalter, die gleichgültig ihre Hunde wild hetzen lassen oder gleich selber querfeldein laufen, obwohl wir hier ein fantastisches Wegenetz zum Wandern haben. Diese Halter spreche ich auch jedes Mal an – oder fange wie letzte Woche die Hunde ein und übergebe diese, zusammen mit einer Standpauke, ihren Besitzern. Aber dass diese Hunde die Tiere vertreiben, kann nicht stimmen. Die Hauptschuld an der Landflucht der Tiere trägt meiner Ansicht nach die Landwirtschaft, die unter enormem Druck das Maximum an Ertrag aus dem Boden holen muss. Zeit ist Geld. Und so rasen Erntemaschinen mit atemberaubender Geschwindigkeit über die Äcker. Rebhühner, Feldhasen, Rehkitze & Co. haben da keine Chance mehr. Dazu kommen Pestizide, die alle Insekten vernichten und so z. B. jungen Fasanen die Nahrung nehmen. Glyphosat wird geradezu verschwenderisch versprüht und setzt den Tieren auch noch zu. Feldränder werden mehrfach im Jahr kurz gemäht und so die Gelege von Bodenbrütern wie der Feldlerche zerstört. Das, was am Ende überlebt hat, wird dann oft auch noch einem Jagddruck ausgesetzt. Ein Jäger, der ein Revier gepachtet hat, will schließ- lich was erlegen. Die letzte Drückjagd, die ich in Meerbusch beobachtet hatte, war beeindruckend: Jäger aus dem ganzen Bundesgebiet (laut Kfz-Kennzeichen) waren teilweise mit Falken und Habichten angereist, um in Meerbusch den Wildtieren nachzustellen. Die „Strecke“am Ende des Tages war entsprechend mager. Der renommierte Ökologie- und Evolutionsbiologe Prof. Dr. Josef Reichholf, der an beiden Münchener Universitäten lehrte und jahrelang die Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München leitete, kam bei seinen langjährigen Forschungen zu dem Ergebnis, dass die Jagd – nach der industriellen Landwirtschaft – der „Artenfeind Nr. 2“ist. Der Wissenschaftler weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der bevölkerungsreichsten deutschen Stadt Berlin sich die größte Artenvielfalt an Tieren findet. In Berlin sind Tiere heimisch, die in der freien Natur aufgrund des hohen Jagddru- ckes ganz oder teilweise schon verschwunden sind. Dies gilt auch für andere deutsche Großstädte wie z.B. München, Hamburg oder Köln. (siehe Josef H. Reichholf: Die Zukunft der Arten - Neue ökologische Überraschungen. Verlag C. H. Beck, München, 2005) Diesen Effekt kann ich sogar in unserem kleinen Garten feststellen: Eichhörnchen, Marder, Sperber, Zaunkönige, Zeisige, Igel & Co. tummeln sich hier – zusammen mit sechs Hunden. Thomas Nachtigal per E-Mail