So gedenken Prenzlauer der Demonstranten von 1953 gegen Unterdrückung und Willkür
Der Aufstand am 17. Juni 1953 führte auch im ehemaligen Kreis Prenzlau zum Aufbegehren - und zu Reaktionen des Staates. Am Platz der Einheit wurde der Ereignisse gedacht.
PRENZLAU – „Der Volksaufstand in der DDR kann als erstes großes Aufbegehren gegen Unterdrückung, Verfolgung und Bevormundung in Osteuropa angesehen werden“, ordnete Jürgen Theil, Vorsitzender des Uckermärkischen Geschichtsvereins zu Prenzlau e.V., die Geschehnisse vor 71 Jahren ein. Vor einer kleinen Runde am Platz der Einheit im Prenzlauer Seepark hielt er auf Bitten der Stadt die Gedenkrede zum 17. Juni 1953.
Dort erinnert inzwischen auch eine Tafel an den Volksaufstand, daneben ein QRCode, über den weitere Informationen übers Handy abgerufen werden können. Prenzlaus Bürgermeister Hendrik Sommer (parteilos), der zusammen mit Jürgen Theil ein Blumengebinde niederlegte, betonte angesichts der damaligen politischen Bedingungen, „wie sehr freie Wahlen zu schätzen sind“.
In über 700 Städten und Ortschaften der ehemaligen DDR hatten sich Arbeiter, Bauern, Frauen, Männer und Jugendlichen aus allen gesellschaftlichen Schichten gegen das damalige SED-Regime erhoben, das „mit Unterdrückung und Willkür angeblich die Interessen des Volkes vertrat“, erinnerte Theil.
Zwischen August 1952 und Januar 1953 sei es auch im damaligen Kreis Prenzlau zu politisch motivierten Gerichtsverfahren gegen Bürger gekommen: „So wurde beispielsweise ein Bauer zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt und enteignet, weil er aus Krankheitsgründen das Soll nicht erfüllt hatte.“
Immer mehr Werktätige flüchteten in den Westen, was die ohnehin prekäre wirtschaftliche Lage in der DDR noch mehr verschlechterte. Selbst der Stabschef der kasernierten Volkspolizei in Prenzlau habe im April 1953 von Versorgungsproblemen und einer großen Zahl unerlaubter Entfernungen von der Truppe gesprochen. Arbeiter forderten mehr Lohn und die Rücknahme von Normerhöhungen. Sie legten die Arbeit nieder, Strohballen gingen in Flammen auf.
Der Ausnahmezustand wurde verhängt, es durften nicht mehr als drei Personen in einer Gruppe zusammenstehen, Wohnungen durften zwischen 20 Uhr und 6 Uhr nicht verlassen werden.
Der 17. Juni 1953, so Theil zum aktuellen Stand der Forschung, kostete auf dem Gebiet der DDR 55 Menschen das Leben, es folgten 11.500 Inhaftierungen, mindestens sieben Todesurteile wurden verhängt. Der Prenzlauer Werner Alfred Flach gehörte zu jenen, die nach der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes den Mut zu weiteren Aktionen aufbrachte - und dies 1956 mit seinem Leben bezahlte. Er wurde in einem Schauprozess, bei dem das Urteil bereits vorher feststand, zum Tode verurteilt. In jenem Gebäude, in dem sich heute der Plenarsaal des Landkreises Uckermark befindet und ein Gedenkstein an sein Schicksal erinnert.
In der DDR wurden zwischen 1949 und 1981 insgesamt 166 Bürger hingerichtet, so Theil. Bis zum Mauerfall am 9. November 1989 hatten circa 3,5 Millionen Bürger die DDR in Richtung BRD verlassen, rund 700 hatten ihren Fluchtversuch an der Berliner Mauer, an der innerdeutschen Grenze oder in der Ostsee mit ihrem Leben bezahlt.
Die friedliche Revolution um den 9. November 1989, bei der - anders als im Juni 1953 - keine Panzer zum Einsatz kamen, stellte erneut einen politischen Umbruch in ganz Osteuropa dar.
„Mit Dankbarkeit und Ehrfurcht sollten wir die Erinnerung an den Widerstand in der DDR wachhalten, auch als Mahnung, dass Diktaturen - welcher Art auch immer - sich nicht wiederholen dürfen“, beendete Theil seine Rede. Zu jenen, die sie aufmerksam verfolgten, gehörten Burkhard und Hartmut W. Flach, die Söhne von Werner Alfred Flach, die eine Grabkerze zum Gedenken an die Opfer des Volksaufstandes entzündeten.