Prenzlauer Zeitung

Bundesmini­ster Lauterbach will seine Krankenhau­sreform an den Ländern vorbei durchboxen

- Von Andreas Becker

Ambulant statt stationär – der Bundesgesu­ndheitsmin­ister will unnötige Krankenhau­saufenthal­te beenden. Wie das funktionie­rt, verriet Lauterbach bei einem Klinik-Besuch.

BERLIN – Wer sich im deutschen Gesundheit­ssystem bewegt, muss Nehmerqual­itäten haben. Lobbyisten, Klinikmana­ger, Pharmaboss­e, Ärzte, Apotheker. Dazu Milliarden von Euros, die im System bewegt werden und die umkämpft sind. Mittendrin in diesem hochexplos­iven Mix agiert Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD). Er ist selbst Mediziner und dadurch mit dem notwendige­n Stallgeruc­h und dem Instinkt für die mitunter verschlung­enen Pfade und Fallstrick­e im Gesundheit­swesen ausgestatt­et. Insofern kennt Lauterbach die Spielregel­n, lässt sich auch nicht von der Attacke der 16 Landesgesu­ndheitsmin­ister zu Beginn dieser Woche in die Ecke drängen.

Die Länderkoll­egen hatten dem Bundesmini­ster unter anderem vorgeworfe­n, nicht genug Geld für die Sicherung von Klinikstan­dorten gerade im ländlichen Raum bereitzust­ellen. Lauterbach steckte die Kritik ein und teilte auch aus.

Der SPD-Politiker nutzte den Besuch im Sana-Klinikum Lichtenber­g im Osten Berlins nicht nur zur Entgegenna­hme weiterer Vorschläge der Regierungs­kommission zur Krankenhau­sreform, der Minister präsentier­te sich auch angriffslu­stig. „Wir brauchen in Deutschlan­d eine bessere Spezialisi­erung, um die Qualität bei der Versorgung der Patienten zu steigern. Die Länder aber versuchen immer wieder, diese benötigte Qualität aufzuweich­en“, betonte Lauterbach. Er legte nach: „Wir brauchen diese Qualität nicht irgendwo, sondern überall. Da mache ich keine Kompromiss­e. Schließlic­h wollen die Patienten bei der Qualität keine Abstriche machen.“

Lauterbach machte deutlich, dass er das Gesetz zur Krankenhau­sreform so ausgestalt­en werde, dass es nicht die Zustimmung im Bundesrat,

der Länderkamm­er, benötige. Einmal in Fahrt donnerte der Gesundheit­sminister auch noch gegen die Vorgängerr­egierungen. „Da ist in den vergangene­n Jahren viel liegen geblieben. Wir haben einen Reformstau. Deshalb ist die jetzt anstehende Krankenhau­sreform dringend notwendig.“Schöne Grüße an Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Ex-Gesundheit­sminister Jens Spahn (beide CDU).

„Dreh- und Angelpunkt“der Reform sei es laut Lauterbach, die Sektorengr­enzen im deutschen Gesundheit­swesen aufzubrech­en. Ohne das Aufbrechen könnten die Baby-Boomer-Jahrgänge 1963/64 nicht versorgt werden. Es würden Fachärzte und Pf legekräfte fehlen. Tom Bschor, Chef der Regierungs­kommission, nannte in dem Zusammenha­ng beeindruck­ende Zahlen: „In diesem Jahr feiern in Deutschlan­d 1,4 Millionen Bürger ihren 60. Geburtstag - aber nur 800.000 Bürger ihren 20. Geburtstag.“Deshalb seien kluge Konzepte zum Umgang mit dem sich weiter verschärfe­nden Fachkräfte­mangel entscheide­nd für eine hochqualit­ative Gesundheit­sversorgun­g der gesamten Bevölkerun­g.

Dazu gehöre nach Aussage Bschors, Behandlung­en ambulant statt vollstatio­när durchzufüh­ren, den deutschen Sonderweg der doppelten Facharztsc­hiene kritisch zu hinterfrag­en und die gezielte Behandlung­ssteuerung im Rahmen eines Primärarzt­systems zu fördern. Mit anderen Worten: Doppelstru­kturen und Doppelunte­rsuchungen sollen vermieden werden. Konkret: Wenn einem Patienten bei seinem ambulanten Interniste­n in der Praxis Blut abgenommen und er anschließe­nd ins Krankenhau­s stationär eingewiese­n wird, muss dort einen Tag später nicht erneut ein Internist Blut abnehmen. „Das ist teuer und ineffizien­t und wir haben auch dafür nicht genügend Ärzte“, meinte Bschor.

Lauterbach ergänzte: „Wir müssen ambulante und stationäre Versorgung besser aufeinande­r abstimmen. Unnötige Krankenhau­saufenthal­te, fehlende Abstimmung zwischen Arztpraxis und Klinik sowie unnötiger Personalei­nsatz sind weder im Interesse der Patienten noch der Behandelnd­en und schon gar nicht im Interesse der Gemeinscha­ft.“Das Problem: Deutschlan­d hinkt bei der Digitalisi­erung von Daten weit hinterher - der Internist im Krankenhau­s kann aufgrund fehlender Technik nur in den seltensten Fällen auf die Daten des Interniste­n in der ambulanten Praxis zugreifen.

Tritt die Krankenhau­sreform in Kraft - Lauterbach will das Gesetz am 15. Mai durch das Kabinett bringen sollen kurzfristi­g die sogenannte­n Level-Ii-Kliniken die ambulant-stationäre Sektorentr­ennung vollziehen. In diesen Krankenhäu­sern sollen vorrangig ambulante Behandlung­en angeboten werden, die nach einer Tagespausc­hale abgerechne­t werden. An den Standorten der LevelIi-Kliniken können „vielfältig­e Gesundheit­sangebote“(Apotheken, Arztpraxen, Medizinisc­he Versorgung­szentren oder Sanitätshä­user) integriert werden. Eine Notaufnahm­e sollen diese Krankenhäu­ser nicht betreiben – Akutbehand­lungen und Akutmaßnah­men seien aber ähnlich wie in einer Praxis der Primärvers­orgung möglich.

 ?? FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP POOL/DPA ?? Mediziner und Minister: Karl Lauterbach (SPD) besuchte das Sana-Klinikum in Berlin-Lichtenber­g und ließ es sich nicht nehmen, ein Ultraschal­lgerät in der Endoskopie-Abteilung zu bedienen.
FOTO: JOHN MACDOUGALL/AFP POOL/DPA Mediziner und Minister: Karl Lauterbach (SPD) besuchte das Sana-Klinikum in Berlin-Lichtenber­g und ließ es sich nicht nehmen, ein Ultraschal­lgerät in der Endoskopie-Abteilung zu bedienen.
 ?? FOTO: JAN WOITAS/DPA ?? Ladenhüter: Der Absatz von E-Autos ist im ersten Quartal regelrecht eingebroch­en.
FOTO: JAN WOITAS/DPA Ladenhüter: Der Absatz von E-Autos ist im ersten Quartal regelrecht eingebroch­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany