Bundesminister Lauterbach will seine Krankenhausreform an den Ländern vorbei durchboxen
Ambulant statt stationär – der Bundesgesundheitsminister will unnötige Krankenhausaufenthalte beenden. Wie das funktioniert, verriet Lauterbach bei einem Klinik-Besuch.
BERLIN – Wer sich im deutschen Gesundheitssystem bewegt, muss Nehmerqualitäten haben. Lobbyisten, Klinikmanager, Pharmabosse, Ärzte, Apotheker. Dazu Milliarden von Euros, die im System bewegt werden und die umkämpft sind. Mittendrin in diesem hochexplosiven Mix agiert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er ist selbst Mediziner und dadurch mit dem notwendigen Stallgeruch und dem Instinkt für die mitunter verschlungenen Pfade und Fallstricke im Gesundheitswesen ausgestattet. Insofern kennt Lauterbach die Spielregeln, lässt sich auch nicht von der Attacke der 16 Landesgesundheitsminister zu Beginn dieser Woche in die Ecke drängen.
Die Länderkollegen hatten dem Bundesminister unter anderem vorgeworfen, nicht genug Geld für die Sicherung von Klinikstandorten gerade im ländlichen Raum bereitzustellen. Lauterbach steckte die Kritik ein und teilte auch aus.
Der SPD-Politiker nutzte den Besuch im Sana-Klinikum Lichtenberg im Osten Berlins nicht nur zur Entgegennahme weiterer Vorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausreform, der Minister präsentierte sich auch angriffslustig. „Wir brauchen in Deutschland eine bessere Spezialisierung, um die Qualität bei der Versorgung der Patienten zu steigern. Die Länder aber versuchen immer wieder, diese benötigte Qualität aufzuweichen“, betonte Lauterbach. Er legte nach: „Wir brauchen diese Qualität nicht irgendwo, sondern überall. Da mache ich keine Kompromisse. Schließlich wollen die Patienten bei der Qualität keine Abstriche machen.“
Lauterbach machte deutlich, dass er das Gesetz zur Krankenhausreform so ausgestalten werde, dass es nicht die Zustimmung im Bundesrat,
der Länderkammer, benötige. Einmal in Fahrt donnerte der Gesundheitsminister auch noch gegen die Vorgängerregierungen. „Da ist in den vergangenen Jahren viel liegen geblieben. Wir haben einen Reformstau. Deshalb ist die jetzt anstehende Krankenhausreform dringend notwendig.“Schöne Grüße an Ex-Kanzlerin Angela Merkel und Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU).
„Dreh- und Angelpunkt“der Reform sei es laut Lauterbach, die Sektorengrenzen im deutschen Gesundheitswesen aufzubrechen. Ohne das Aufbrechen könnten die Baby-Boomer-Jahrgänge 1963/64 nicht versorgt werden. Es würden Fachärzte und Pf legekräfte fehlen. Tom Bschor, Chef der Regierungskommission, nannte in dem Zusammenhang beeindruckende Zahlen: „In diesem Jahr feiern in Deutschland 1,4 Millionen Bürger ihren 60. Geburtstag - aber nur 800.000 Bürger ihren 20. Geburtstag.“Deshalb seien kluge Konzepte zum Umgang mit dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel entscheidend für eine hochqualitative Gesundheitsversorgung der gesamten Bevölkerung.
Dazu gehöre nach Aussage Bschors, Behandlungen ambulant statt vollstationär durchzuführen, den deutschen Sonderweg der doppelten Facharztschiene kritisch zu hinterfragen und die gezielte Behandlungssteuerung im Rahmen eines Primärarztsystems zu fördern. Mit anderen Worten: Doppelstrukturen und Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden. Konkret: Wenn einem Patienten bei seinem ambulanten Internisten in der Praxis Blut abgenommen und er anschließend ins Krankenhaus stationär eingewiesen wird, muss dort einen Tag später nicht erneut ein Internist Blut abnehmen. „Das ist teuer und ineffizient und wir haben auch dafür nicht genügend Ärzte“, meinte Bschor.
Lauterbach ergänzte: „Wir müssen ambulante und stationäre Versorgung besser aufeinander abstimmen. Unnötige Krankenhausaufenthalte, fehlende Abstimmung zwischen Arztpraxis und Klinik sowie unnötiger Personaleinsatz sind weder im Interesse der Patienten noch der Behandelnden und schon gar nicht im Interesse der Gemeinschaft.“Das Problem: Deutschland hinkt bei der Digitalisierung von Daten weit hinterher - der Internist im Krankenhaus kann aufgrund fehlender Technik nur in den seltensten Fällen auf die Daten des Internisten in der ambulanten Praxis zugreifen.
Tritt die Krankenhausreform in Kraft - Lauterbach will das Gesetz am 15. Mai durch das Kabinett bringen sollen kurzfristig die sogenannten Level-Ii-Kliniken die ambulant-stationäre Sektorentrennung vollziehen. In diesen Krankenhäusern sollen vorrangig ambulante Behandlungen angeboten werden, die nach einer Tagespauschale abgerechnet werden. An den Standorten der LevelIi-Kliniken können „vielfältige Gesundheitsangebote“(Apotheken, Arztpraxen, Medizinische Versorgungszentren oder Sanitätshäuser) integriert werden. Eine Notaufnahme sollen diese Krankenhäuser nicht betreiben – Akutbehandlungen und Akutmaßnahmen seien aber ähnlich wie in einer Praxis der Primärversorgung möglich.