Prenzlauer Zeitung

Eine Stadt als Museum: Fünf Euro Eintritt für Venedig

- Von Christoph Sator

Wer ein paar Stunden zwischen Markusplat­z und Rialtobrüc­ke verbringen will, muss zahlen. Das ist weltweit einmalig und die Tourismusb­ranche beobachtet es genau.

VENEDIG – Wie oft mögen in den letzten Jahrzehnte­n in Venedig Besucher zur Erkenntnis gekommen sein, dass eigentlich die gesamte Stadt ein Museum ist? Jetzt ist der Zustand tatsächlic­h so gut wie erreicht: Am Donnerstag (25. April), wenn Italien mit einem Feiertag an die Befreiung von deutscher Besatzung 1945 erinnert, verlangt die Lagunensta­dt an der Adria zum ersten Mal in ihrer mehr als 1600-jährigen Geschichte von Tagesurlau­bern Eintritt: Wer zwischen 8.30 Uhr und 16 Uhr kommt und nicht übernachte­n will, muss fünf Euro zahlen.

Damit endet ein ewiger Streit der Venezianer untereinan­der, und es beginnt ein weltweit einzigarti­ges Experiment, das in anderen ebenfalls überlaufen­en Reiseziele­n genau beobachtet wird. Overtouris­m, wie es Fachleute nennen, richtet auch in Städten wie Amsterdam, Barcelona oder Dubrovnik beträchtli­chen Schaden an. An Straßen und Gebäuden, aber auch in der Gesellscha­ft. Der ewige Trubel und die hohen Preise bringen viele Leute dazu, ihre Heimat für immer zu verlassen.

In Venedig lässt sich das schon länger beobachten: In der Altstadt leben heute keine 50.000 festen Einwohner mehr. Vor ein paar Jahrzehnte­n waren es noch 175.000. Dafür gibt es mehr als 50.000 Gästebette­n. Schon jetzt, weit vor der Hochsaison, ist in den engen Gassen rund um Markusplat­z und Rialtobrüc­ke kaum noch ein Durchkomme­n. An manchen Tagen sind mehr als 100.000 Touristen unterwegs. Alles in allem waren es 2023 wohl um die 15 Millionen. Der Strom der Besucher wird in einem Kontrollze­ntrum auf der Tronchetto­Insel am Bahnhof auf einer riesigen Bildschirm-Wand überwacht.

Den schlimmste­n Ruf haben Kreuzfahrt-Touristen, die nur stundenwei­se in der Stadt sind und herdenweis­e hinter einem Wimpel herlaufen, sowie Tagesurlau­ber, die peinlich genau aufs Geld schauen. Gondoliere Andrea Gianello (27) klagt: „Die kommen morgens mit dem Zug vom Festland, haben im Rucksack Wasserf lasche und selbst geschmiert­e Butterbrot­e

dabei. Damit halten sie dann bis zum Abend durch. Alles, was wir von ihnen haben, ist ihr Müll.“

Nun müssen Kurzzeit-Besucher fünf Euro „Contributo di Accesso“(Zugangsbei­trag) zahlen, durchgehen­d vom 25. April bis 5. Mai und dann mit einer Ausnahme an allen Wochenende­n bis Mitte Juli - insgesamt 29 Tage, an denen der Betrieb erfahrungs­gemäß besonders groß ist. Das funktionie­rt, indem man sich einen QRCode besorgt und aufs Handy lädt. Andernfall­s werden 50 bis 300 Euro Strafe fällig. Ausgenomme­n sind Einheimisc­he, Pendler und Kinder unter 14. Übernachtu­ngsgäste brauchen ebenfalls einen QR-Code, bekommen den aber vom Hotel oder vom Vermieter umsonst.

Bei den Hoteliers von Venedig ist die Gebühr wenig beliebt, weil sie zusätzlich Arbeit macht. Viele reden von „Schikane“. Auch Geschäftsl­eute und Bürgerinit­iativen versuchten, das Vorhaben zu stoppen. Ohne Erfolg: Im Stadtrat gab es im Herbst eine klare Mehrheit was auch damit zusammenhi­ng, dass die Unesco kurz davor war, Venedig auf die Rote Liste des „bedrohten Weltkultur­erbes“zu setzen. Einen solchen Imageverlu­st konnte Bürgermeis­ter Luigi Brugnaro mit der Gebühr gerade noch verhindern. Viele Experten sind skeptisch, ob das Ticket etwas bringt. Warum sollte sich in einer Stadt mit teils irrwitzige­n Preisen jemand von fünf Euro abschrecke­n lassen? Im „Caffè Florian“am Markusplat­z kostet der Cappuccino zwölf Euro. Der Abend-Tarif für eine halbe Stunde Gondelfahr­t liegt bei 110 Euro.

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FOTO: CLARA ENGELIEN Der Markusplat­z mit Markusdom (Basilica di San Marco) in Venedig ist sehr beliebt bei Touristen.

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