Betrug oder „nur“unmoralisch? Die Sache mit den guten Taten
Eine Neubrandenburger Unternehmerin hat sich auf ein Sponsoring eingelassen, das sie sehr bereut. Und will nun andere Firmen und Sozialorganisationen warnen.
NEUBRANDENBURG. Dieses Angebot kam Marie Lauchstädt gerade recht. Die Unternehmerin aus Neubrandenburg bekam Besuch eines Vertreters, der ihr anbot, einfach und unkompliziert Gutes zu tun. Und zwar für eine soziale Organisation direkt vor der Haustür. „Der Mann stand im Frühjahr 2022 vor der Tür und sagte, er wäre von der Diakonie in Neubrandenburg. Er hatte auch jede Menge Werbematerial dabei, zum Beispiel von Kindern mit Handicap. Da kann einem schon bisschen das Herz aufgehen“, erinnert sich Lauchstädt zurück. Es war nur ein kurzer Schritt, bis ihr auch das Portemonnaie aufging. 12 Monatsraten a 200 Euro wollte sie zahlen, für die gute Sache.
19 Unternehmen wurden zu einem Engagement bewegt
Das Sponsoring eines Fahrzeugs sei das Ziel, so ein modernes Gefährt werde unbedingt benötigt. Noch viel mehr Unternehmer würden mitmachen und „so ganz nebenbei“sei in dem Gespräch auch Thema gewesen, dass auf dem Fahrzeug natürlich die Firmenlogos aller Sponsoren aufgeführt und dann durch Neubrandenburg spazieren fahren würden. Auf dem Vertrag habe sie dann zwar eine Firma namens „Drive Marketing“gefunden und sich ein bisschen gewundert, aber die sei für den Druck der Sponsorenlogos und die Folierung verantwortlich, habe ihr der Vertreter damals gesagt.
Schneller Vorlauf in den Herbst 2023. Marie Lauchstädt ist stinksauer. „Ich fühle mich betrogen und ausgenutzt“, macht sie deutlich. Und will öffentlich machen, was ihr passiert ist, um andere Firmen und auch Sozialorganisationen zu warnen. „Unseriös“sei es ihrer Meinung nach, was da unter dem Deckmantel angeblichen sozialen Engagements vereinbart werde.
Jener Vertreter aus dem Frühjahr 2022 war offenbar durchaus überzeugend und schaffte es, wie Marie Lauchstädt herausfand, insgesamt 19 Unternehmen der Region zu einem Engagement für die Diakonie zu bewegen. Inzwischen ist auch tatsächlich ein kleines Elektromobil, mit Werbung dicht bepflastert, auf den Straßen der Region unterwegs. Und Marie Lauchstädt hat einen Rechtsstreit am Hals, denn sie will ihren Anteil daran nicht zahlen.
Erste Rate viel höher als vereinbart
Als Mitte vergangenen Jahres eine erste Abbuchung von ihrem Konto von der Firma Drive Marketing über 267 Euro – also eine erste Monatsrate plus diverse Gebühren – erfolgte, veranlasste sie umgehend eine Rückbuchung und wunderte sich. Sie sagt: So sei es schließlich nicht vereinbart gewesen. Lange passierte nichts, in diesem Herbst f latterte dann ein Rechtsanwaltsschreiben auf ihren Tisch. Sie solle sehr wohl die vereinbarten Raten zahlen und natürlich nunmehr auch die Anwaltskosten.
Vertrag
Vertrag.
Lauchstädt machte sich im Internet und in der Neubrandenburger Unternehmerschaft schlau, las jede Menge schlechte Bewertungen über die Masche der Firma Drive Marketing und schmiss einfach mal ihren Taschenrechner an. „Wenn jede der 19 Firmen der Region 2400 Euro zahlt, sind das gut 45.000 Euro. Im Internet hab ich das Auto, das wir angeblich gesponsert haben, für rund 18.000 Euro gefunden, dreifach überbezahlt also. Ich nenne das Wucher“, entrüstet sich die Unternehmerin. Zumal, wie sie herausfand, der Wagen nicht an die Sozialorganisation übergeben, sondern nur fünf Jahre zur Nutzung zur Verfügung gestellt werde.
Bei der Firma Drive Marketing versucht ein „Assistent der Geschäftsführung“, der lieber ungenannt bleiben möchte, die Vorwürfe zurückzuweisen. Das Geschäftsmodell sei, Werbung zu verkaufen, betont er, und macht eine eigene Rechnung auf. Für insgesamt 2400 Euro, also knapp 500 Euro pro Jahr bei einer fünfjährigen Nutzung des Wagens, sein Logo im Straßenbild präsentieren zu können – das sei fast ein Schnäppchen. Der Wagen werde zur Verfügung gestellt und gewartet, die Firmenlogos der Sponsoren müssten bearbeitet und auf sei schließlich
Folie geklebt werden und ein kleiner Gewinn müsse auch noch abfallen.
„Das wäre Betrug“
Was die Firma auf Nordkurier-Anfrage jedenfalls auch klarstellte: Der Mann, der Marie Lauchstädt so gekonnt von der guten Sache überzeugte, sei mitnichten ein Angestellter von Drive Marketing, sondern ein freier Handelsvertreter. Behaupten, er komme von einer Sozialorganisation, dürfe er natürlich nicht, „das wäre Betrug“. Wenn man solches Verhalten feststelle, werde das auf jeden Fall sanktioniert, versichert der Assistent der Geschäftsleitung. Der im Übrigen die massive Kritik am Geschäftsgebaren seiner Firma im Internet tapfer wegschluckt und auf „Stammkunden, die uns seit vielen Jahren die Treue halten“, verweist. Auf der Google-Bewertungsplattform findet sich im Internet neben vielen schlechten tatsächlich auch durchaus manche gute Bewertung der Firma. Aber es gibt auch viele, die an der Geschäftspraxis zweifeln. Einer schreibt beispielsweise, das Ganze sei „wohl legal, aber moralisch höchst verwerflich“.
Die Diakoniewerkstätten Neubrandenburg, eine gemeinnützige GmbH, zählt sich nicht zu den besagten Stammkunden von Drive Marketing. Geschäftsführer
Torsten Jagoda will zwar keine Pauschalkritik an den Umständen äußern, unter denen das Auto besorgt wurde, verweist aber darauf, dass man eine weitere Zusammenarbeit mit Drive Marketing nicht anstrebe. Es habe schließlich länger als versprochen gedauert, bis das in Aussicht gestellte Fahrzeug endlich zur Verfügung stand. Vier Wochen, nachdem der Wagen dann doch da war, sei er aber wieder kaputt gewesen und längere Zeit ausgefallen. „Die Firmen, die dafür Geld gegeben haben, wollen natürlich auch, dass das Fahrzeug unterwegs ist.“
Kritische Nachfragen von regionalen Firmen
Jagoda erklärt, dass die Diakoniewerkstätten über das Angebot, ein notwendiges Gefährt kostenfrei zur Verfügung gestellt zu bekommen, durchaus erfreut gewesen seien. Die Leistung sei auch erfolgt, aber verspätet, sodass es zu Recht kritische Nachfragen von regionalen Firmen gekommen sei. „Dass jetzt Kritik an den ganzen Umständen geäußert wird, tut uns leid“, dies sei aber von vornherein nicht absehbar gewesen. Wenn Vertreter von Drive Marketing behauptet hätten, sie seien direkt von den Diakoniewerkstätten beauftragt gewesen, sei das jedoch nicht in Ordnung.
Marie Lauchstädt ist weit davon entfernt, den Diakoniewerkstätten einen Vorwurf zu machen. „Die wurden genau so getäuscht wie ich auch“, findet sie. Sie ist nicht gewillt, klein beizugeben. „Ich kämpfe das jetzt vor Gericht aus, wenn es sein muss“. Viel wichtiger ist ihr aber, andere Unternehmer zu warnen: „Ich kann nur wünschen, dass sich niemand mehr von diesen Vertretern hinters Licht führen lässt. Und auch die Organisationen mitkriegen, was dort in ihrem Namen passiert.“
Unternehmen führt die Masche offenbar fort
Denn wie die Nordkurier-Recherche ergab, läuft die Akquise für Projekte von Drive Marketing in der Region weiter. Auch in anderen Fällen, das belegen Schilderungen, die unsere Redaktion erreicht haben, wird dabei von Handelsvertretern offenbar der Eindruck vermittelt, direkt im Auftrag von sozialen Organisationen, gemeinnützige Unternehmen oder Kultureinrichtungen Fahrzeuge zu besorgen.
„Finger weg!“, ist dazu der klare Ratschlag von Marie Lauchstädt: „Ich gebe mein Geld lieber vor Ort direkt an die entsprechenden Vereine.“