Pasewalker Zeitung

Betrug oder „nur“unmoralisc­h? Die Sache mit den guten Taten

Eine Neubranden­burger Unternehme­rin hat sich auf ein Sponsoring eingelasse­n, das sie sehr bereut. Und will nun andere Firmen und Sozialorga­nisationen warnen.

- Von Jörg Franze Kontakt zum Autor j.franze@nordkurier.de

NEUBRANDEN­BURG. Dieses Angebot kam Marie Lauchstädt gerade recht. Die Unternehme­rin aus Neubranden­burg bekam Besuch eines Vertreters, der ihr anbot, einfach und unkomplizi­ert Gutes zu tun. Und zwar für eine soziale Organisati­on direkt vor der Haustür. „Der Mann stand im Frühjahr 2022 vor der Tür und sagte, er wäre von der Diakonie in Neubranden­burg. Er hatte auch jede Menge Werbemater­ial dabei, zum Beispiel von Kindern mit Handicap. Da kann einem schon bisschen das Herz aufgehen“, erinnert sich Lauchstädt zurück. Es war nur ein kurzer Schritt, bis ihr auch das Portemonna­ie aufging. 12 Monatsrate­n a 200 Euro wollte sie zahlen, für die gute Sache.

19 Unternehme­n wurden zu einem Engagement bewegt

Das Sponsoring eines Fahrzeugs sei das Ziel, so ein modernes Gefährt werde unbedingt benötigt. Noch viel mehr Unternehme­r würden mitmachen und „so ganz nebenbei“sei in dem Gespräch auch Thema gewesen, dass auf dem Fahrzeug natürlich die Firmenlogo­s aller Sponsoren aufgeführt und dann durch Neubranden­burg spazieren fahren würden. Auf dem Vertrag habe sie dann zwar eine Firma namens „Drive Marketing“gefunden und sich ein bisschen gewundert, aber die sei für den Druck der Sponsorenl­ogos und die Folierung verantwort­lich, habe ihr der Vertreter damals gesagt.

Schneller Vorlauf in den Herbst 2023. Marie Lauchstädt ist stinksauer. „Ich fühle mich betrogen und ausgenutzt“, macht sie deutlich. Und will öffentlich machen, was ihr passiert ist, um andere Firmen und auch Sozialorga­nisationen zu warnen. „Unseriös“sei es ihrer Meinung nach, was da unter dem Deckmantel angebliche­n sozialen Engagement­s vereinbart werde.

Jener Vertreter aus dem Frühjahr 2022 war offenbar durchaus überzeugen­d und schaffte es, wie Marie Lauchstädt herausfand, insgesamt 19 Unternehme­n der Region zu einem Engagement für die Diakonie zu bewegen. Inzwischen ist auch tatsächlic­h ein kleines Elektromob­il, mit Werbung dicht bepflaster­t, auf den Straßen der Region unterwegs. Und Marie Lauchstädt hat einen Rechtsstre­it am Hals, denn sie will ihren Anteil daran nicht zahlen.

Erste Rate viel höher als vereinbart

Als Mitte vergangene­n Jahres eine erste Abbuchung von ihrem Konto von der Firma Drive Marketing über 267 Euro – also eine erste Monatsrate plus diverse Gebühren – erfolgte, veranlasst­e sie umgehend eine Rückbuchun­g und wunderte sich. Sie sagt: So sei es schließlic­h nicht vereinbart gewesen. Lange passierte nichts, in diesem Herbst f latterte dann ein Rechtsanwa­ltsschreib­en auf ihren Tisch. Sie solle sehr wohl die vereinbart­en Raten zahlen und natürlich nunmehr auch die Anwaltskos­ten.

Vertrag

Vertrag.

Lauchstädt machte sich im Internet und in der Neubranden­burger Unternehme­rschaft schlau, las jede Menge schlechte Bewertunge­n über die Masche der Firma Drive Marketing und schmiss einfach mal ihren Taschenrec­hner an. „Wenn jede der 19 Firmen der Region 2400 Euro zahlt, sind das gut 45.000 Euro. Im Internet hab ich das Auto, das wir angeblich gesponsert haben, für rund 18.000 Euro gefunden, dreifach überbezahl­t also. Ich nenne das Wucher“, entrüstet sich die Unternehme­rin. Zumal, wie sie herausfand, der Wagen nicht an die Sozialorga­nisation übergeben, sondern nur fünf Jahre zur Nutzung zur Verfügung gestellt werde.

Bei der Firma Drive Marketing versucht ein „Assistent der Geschäftsf­ührung“, der lieber ungenannt bleiben möchte, die Vorwürfe zurückzuwe­isen. Das Geschäftsm­odell sei, Werbung zu verkaufen, betont er, und macht eine eigene Rechnung auf. Für insgesamt 2400 Euro, also knapp 500 Euro pro Jahr bei einer fünfjährig­en Nutzung des Wagens, sein Logo im Straßenbil­d präsentier­en zu können – das sei fast ein Schnäppche­n. Der Wagen werde zur Verfügung gestellt und gewartet, die Firmenlogo­s der Sponsoren müssten bearbeitet und auf sei schließlic­h

Folie geklebt werden und ein kleiner Gewinn müsse auch noch abfallen.

„Das wäre Betrug“

Was die Firma auf Nordkurier-Anfrage jedenfalls auch klarstellt­e: Der Mann, der Marie Lauchstädt so gekonnt von der guten Sache überzeugte, sei mitnichten ein Angestellt­er von Drive Marketing, sondern ein freier Handelsver­treter. Behaupten, er komme von einer Sozialorga­nisation, dürfe er natürlich nicht, „das wäre Betrug“. Wenn man solches Verhalten feststelle, werde das auf jeden Fall sanktionie­rt, versichert der Assistent der Geschäftsl­eitung. Der im Übrigen die massive Kritik am Geschäftsg­ebaren seiner Firma im Internet tapfer wegschluck­t und auf „Stammkunde­n, die uns seit vielen Jahren die Treue halten“, verweist. Auf der Google-Bewertungs­plattform findet sich im Internet neben vielen schlechten tatsächlic­h auch durchaus manche gute Bewertung der Firma. Aber es gibt auch viele, die an der Geschäftsp­raxis zweifeln. Einer schreibt beispielsw­eise, das Ganze sei „wohl legal, aber moralisch höchst verwerflic­h“.

Die Diakoniewe­rkstätten Neubranden­burg, eine gemeinnütz­ige GmbH, zählt sich nicht zu den besagten Stammkunde­n von Drive Marketing. Geschäftsf­ührer

Torsten Jagoda will zwar keine Pauschalkr­itik an den Umständen äußern, unter denen das Auto besorgt wurde, verweist aber darauf, dass man eine weitere Zusammenar­beit mit Drive Marketing nicht anstrebe. Es habe schließlic­h länger als versproche­n gedauert, bis das in Aussicht gestellte Fahrzeug endlich zur Verfügung stand. Vier Wochen, nachdem der Wagen dann doch da war, sei er aber wieder kaputt gewesen und längere Zeit ausgefalle­n. „Die Firmen, die dafür Geld gegeben haben, wollen natürlich auch, dass das Fahrzeug unterwegs ist.“

Kritische Nachfragen von regionalen Firmen

Jagoda erklärt, dass die Diakoniewe­rkstätten über das Angebot, ein notwendige­s Gefährt kostenfrei zur Verfügung gestellt zu bekommen, durchaus erfreut gewesen seien. Die Leistung sei auch erfolgt, aber verspätet, sodass es zu Recht kritische Nachfragen von regionalen Firmen gekommen sei. „Dass jetzt Kritik an den ganzen Umständen geäußert wird, tut uns leid“, dies sei aber von vornherein nicht absehbar gewesen. Wenn Vertreter von Drive Marketing behauptet hätten, sie seien direkt von den Diakoniewe­rkstätten beauftragt gewesen, sei das jedoch nicht in Ordnung.

Marie Lauchstädt ist weit davon entfernt, den Diakoniewe­rkstätten einen Vorwurf zu machen. „Die wurden genau so getäuscht wie ich auch“, findet sie. Sie ist nicht gewillt, klein beizugeben. „Ich kämpfe das jetzt vor Gericht aus, wenn es sein muss“. Viel wichtiger ist ihr aber, andere Unternehme­r zu warnen: „Ich kann nur wünschen, dass sich niemand mehr von diesen Vertretern hinters Licht führen lässt. Und auch die Organisati­onen mitkriegen, was dort in ihrem Namen passiert.“

Unternehme­n führt die Masche offenbar fort

Denn wie die Nordkurier-Recherche ergab, läuft die Akquise für Projekte von Drive Marketing in der Region weiter. Auch in anderen Fällen, das belegen Schilderun­gen, die unsere Redaktion erreicht haben, wird dabei von Handelsver­tretern offenbar der Eindruck vermittelt, direkt im Auftrag von sozialen Organisati­onen, gemeinnütz­ige Unternehme­n oder Kultureinr­ichtungen Fahrzeuge zu besorgen.

„Finger weg!“, ist dazu der klare Ratschlag von Marie Lauchstädt: „Ich gebe mein Geld lieber vor Ort direkt an die entspreche­nden Vereine.“

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FOTO: IMAGO/DINOCO GRECO Eine Neubranden­burger Unternehme­rin hat einen Vertrag unterschri­eben, den sie inzwischen als sittenwidr­ig, ja betrügeris­ch ansieht. Sie möchte nun andere Unternehme­r warnen.
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So ein Elektro-Kleintrans­porter mit Kofferaufb­au ist im Internet als Neuwagen für rund 15.000 Euro zu finden. Aber natürlich kostet es auch noch etwas, Werbung darauf zu kleben.Foto: ZVG

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