Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Werden Freiland-eier knapp?

Die Geflügelpe­st grassiert in Deutschlan­d: 400.000 Tiere schon getötet. Hühner müssen zum Schutz in die Ställe

- Von Beate Kranz

Berlin. Ob Wildenten, Schwäne oder Möwen – in diesen Wochen werden in Deutschlan­d immer wieder tote Wildvögel gefunden. Oft in Küstennähe von Nord- und Ostsee, aber auch in Bayern oder Thüringen. Verendet an der Geflügelpe­st – einer fast immer tödlich verlaufend­en Viruserkra­nkung für Vögel.

Die gute Nachricht: Das aktuell kursierend­e H5n1-virus, das sich seit einigen Monaten in Europa verbreitet, ist für Menschen ungefährli­ch. „Es gibt keinen Hinweis, dass sich ein Mensch damit angesteckt hat“, sagt Elke Reinking, Sprecherin des Friedrich-loeffler-instituts (FLI), des Bundesfors­chungsinst­ituts für Tiergesund­heit.

Die schlechte Nachricht: Das Virus wird durch Wildvögel auf Geflügel übertragen – und hat schon zu 53 Ausbrüchen in Geflügelbe­trieben und in zwei Tierparks in Greifswald und im Saarland geführt. „Insgesamt mussten in den vergangene­n Monaten schon rund 400.000 Tiere in Deutschlan­d getötet werden“, berichtet der Präsident des Zentralver­bands der Deutschen Geflügelwi­rtschaft (ZDG), Friedrich-otto Ripke, unserer Redaktion.

„Die Viruswelle wird sich voraussich­tlich so schlimm wie im vergangene­n Jahr entwickeln, als eine Million Tiere – vor allem in Niedersach­sen und Nordrhein-westfalen – gekeult werden mussten“, meint der Verbandsch­ef. „Wie im Vorjahr erwarten wir einen Schaden für die Geflügelwi­rtschaft von rund 30 Millionen Euro.“Die Experten des Friedrich-loeffler-instituts sind überzeugt, „dass diese Geflügelpe­sthere welle noch stärker wüten wird als die von 2020/2021“. Die Geflügelpe­st kursiert seit Monaten bereits in vielen europäisch­en Ländern – von Finnland, Dänemark über Frankreich, Portugal bis nach Griechenla­nd und Bulgarien.

„Täglich tauchen neue Fälle auf“, so die Fli-sprecherin. Verbreitet wird das Virus von Wildvögeln und hier insbesonde­re von Wasservoge­larten während des Vogelzugs, sodass die Epidemie vor allem in Wassernähe grassiert – an Meeren, Flüssen und Seen. Ursprüngli­ch stammt das Virus aus Südostasie­n.

Die Vögel verenden meistens nach mehrtägige­r Infektion apathisch, bekommen Fieber und nehmen keine Nahrung mehr zu sich. Die Übertragun­g erfolgt hauptsächl­ich über Ausscheidu­ngen wie den Kot und die Kadaver, die von anderen Tieren verspeist werden. So wurde das Virus auch in Aasfresser­n wie Eulen, Raben und vereinzelt auch bei Rotfüchsen oder Fischotter­n entdeckt.

Das Geflügelpe­stvirus ist ein Grippeviru­s – und wie beim Menschen ein Erreger, der sich ständig verändert. Mit einem Unterschie­d: Es gibt bislang noch keinen geeigneten Impfstoff. Um die massenhaft­en Tötungen zu verhindern, fordert der ZDG-CHEF, endlich einen geeigneten Impfstoff zu entwickeln.

„Eine Impfung ist bei den jedes Jahr wiederkehr­enden Seuchengän­gen die erfolgvers­prechendst­e Methode im Kampf gegen das Virus. Die Bundesregi­erung sollte dringend Forschungs­mittel zur Verfügung stellen, damit schnell ein Vakzin entwickelt werden kann.“Es müsse ein markierter Impfstoff sein, damit erkrankte und geimpfte Tiere voneinande­r unterschie­den und auch als Lebensmitt­el gehandelt werden könnten, so Ripke.

Die Folgen der behördlich angeordnet­en Zwangskeul­ungen haben sich auch auf die Preise ausgewirkt. „Die Gänsebrate­n waren schon zu Weihnachte­n pro Kilo ein bis zwei Euro teurer als im Vorjahr“, berichtet Mechthild Cloppenbur­g, Geflügelun­d Eier-expertin der Agrarmarkt Informatio­ns-gesellscha­ft (AMI). Die Eierpreise in Bodenhaltu­ng haben sich in den vergangene­n vier Wochen leicht um zwei Cent auf 1,90 Euro pro Zehnerpack­ung erhöht.

„Die Versorgung mit Fleisch und Eiern werden wir momentan noch sicherstel­len können“, sagt Ripke. „Aber es kann sein, dass Freilandei­er knapp werden.“So wird Hühnern, die in einem vom Geflügelpe­stvirus bedrohten Gebiet im Freien laufen, eine Stallpflic­ht verordnet. Dauert diese länger als 16 Wochen, dürfen ihre gelegten Eier nur noch als Eier aus Bodenhaltu­ng verkauft werden, erläutert der Zdg-präsident.

Anders verhält es sich bei Biohühnern. Für diese gelte diese Wochenfris­t nicht, sondern eine „praxisnäVo­rgabe, die sich nicht auf wenige Wochen, sondern auf ein Drittel ihrer Lebenszeit bezieht“, sagt Ripke. „Politisch ist hier eine Angleichun­g erforderli­ch.“Damit Freilandun­d Biohennen in dieser Beziehung gleich behandelt werden können, müsse auch Eu-recht angepasst werden.

Bricht das Virus in einem Stall aus, wird die Tötung aller Tiere staatlich angeordnet, um die Verbreitun­g des Virus zu verhindern. Aus dem betroffene­n Stall gelangt kein Fleisch und gelangen auch keine Eier in den Handel, erklärt die Fli-sprecherin das Prozedere.

Die betroffene­n Bauern erhalten etwa 80 bis 90 Prozent des entstanden­en wirtschaft­lichen Schadens von der Tierseuche­nkasse erstattet. Dennoch rechnet der Präsident der Geflügelwi­rtschaft damit, dass vor allem Putenhalte­r, die immer wieder von dem Virus betroffen werden, ihre Geschäfte aufgeben müssen oder wollen. So seien aktuell in Niedersach­sen die Beiträge in die Tierseuche­nkasse pro Pute von 40 Cent auf einen Euro gestiegen.

„Für viele lohnt sich das Geschäft nicht mehr, weil zusätzlich noch die hohen Futterkost­en zu Verlusten führen“, sagt Ripke. Besonders bitter sei dies auch, weil dadurch die Eigenverso­rgung mit Geflügelfl­eisch sinke. Der Selbstvers­orgungsgra­d liege bei Putenfleis­ch bei 80 Prozent, bei Hähnchen bei rund 95 Prozent und bei Eiern bei 70 Prozent. „Wenn das Höfesterbe­n so weitergeht, wird der Import steigen müssen“, meint Ripke. „Import bedeutet aber auch weniger Tierschutz und weniger Lebensmitt­elsicherhe­it im Hygieneber­eich.“

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FOTO: IMAGO Noch genießen die Legehennen ihren Auslauf: Sobald sich die Geflügelpe­st ihrem Ort nähert, werden sie in Ställen untergebra­cht.

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