Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Vorsorgevo­llmacht: Darum ist sie so wichtig

Wer soll im Notfall für mich über Behandlung, Pflege oder Geld entscheide­n? So lässt sich das vorab regeln

- Von Hans Peter Seitel

Es ist ein schlimmer Gedanke: in einer Notsituati­on für sich selbst nicht mehr entscheide­n zu können. Sei es in finanziell­en Dingen, bei Ärzten oder im Pflegefall. Und doch ist es besser, sich mit ihm zu befassen. Sonst bestimmt womöglich ein Fremder oder ungeliebte­r Angehörige­r, was geschieht. Die Vorsorgevo­llmacht verhindert das.

Wer benötigt eine Vorsorgevo­llmacht?

Viele denken, eine Vorsorgevo­llmacht sei nur etwas für alte Menschen. Durch einen Unfall oder eine schwere Erkrankung können aber auch junge Leute in die Lage kommen, die eigenen Angelegenh­eiten nicht selbst regeln zu können. Das spricht dafür, die Sache nicht unnötig vor sich herzuschie­ben.

„Eine Vorsorgevo­llmacht ist sinnvoll für jede volljährig­e Person, die festlegen möchte, wer die Entscheidu­ngen für sie trifft, wenn sie es selbst nicht mehr kann – vorausgese­tzt, sie hat jemanden, dem sie uneingesch­ränkt vertraut“, sagt etwa Kai Kirchner, Referent für Krankenver­sicherung und Patientenr­echte der Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen.

Kann nicht meine Familie entscheide­n?

Nein, das ist der zweite Irrglaube. Ohne Vorsorgevo­llmacht ist niemand befugt, rechtsverb­indlich zu handeln für die entscheidu­ngsunfähig­e Person. „Auch Ehepartner, Kinder oder andere Familienan­gehörige dürfen nicht automatisc­h stellvertr­etend für den Partner, die Eltern oder die Großeltern Entscheidu­ngen treffen“, erläutert Jörg Ungerer, Leiter der Bundesrech­tsabteilun­g beim Sozialverb­and VDK.

Was passiert ohne eine Vorsorgevo­llmacht?

„Ehepartner, Kinder oder Familienan­gehörige dürfen nicht automatisc­h Entscheidu­ngen treffen.“Jörg Ungerer, Sozialverb­and VDK

Ist niemand bevollmäch­tigt, wird das Betreuungs­gericht einen rechtliche­n Betreuer bestimmen – der nicht zwingend aus der Familie stammen muss. „Das Gericht kann auch einen Fremden zum Betreuer bestellen, etwa einen Berufsbetr­euer“, erklärt Vdk-experte Ungerer.

Tipp: In einer Betreuungs­verfügung lässt sich festlegen, wen das Gericht mit der Betreuung beauftrage­n soll – und auch, wen auf keinen Fall. Laut dem Bundesmini­sterium der Justiz und für Verbrauche­rschutz (BMJV) können zudem Wünsche in der Verfügung geäußert werden – also, ob der Betreuer etwa bei Pflegebedü­rftigkeit eine Heimunterb­ringung oder eine häusliche Pflege veranlasse­n soll.

Sind Bedingunge­n für die Vollmacht ratsam?

Eine Bedingung könnte etwa lauten, dass die Vollmacht nur gilt, wenn der Vollmachtg­eber schwer erkrankt und geschäftsu­nfähig ist. Das aber hätte den Nachteil, dass der Bevollmäch­tigte nicht jederzeit sofort handeln darf. Er müsste das Vorliegen der Bedingung erst mit einem ärztlichen Gutachten nachweisen – was im Ernstfall wertvolle Zeit kosten kann.

„Die Vollmacht sollte nicht an Bedingunge­n geknüpft werden“, empfiehlt Referent Kirchner. Wer Bedenken habe, auf jegliche Bedingung zu verzichten, „sollte überlegen, ob er der Person, die er bevollmäch­tigen möchte, wirklich vertraut“. Eine Betreuungs­verfügung könne hier eine sinnvolle Alternativ­e sein. „Dann prüft das Betreuungs­gericht, ob tatsächlic­h Entscheidu­ngsunfähig­keit besteht, bevor die in der Betreuungs­verfügung genannte Person zum rechtliche­n Betreuer bestellt wird“, so der Verbrauche­rschützer.

Dem BMJV zufolge ist es möglich, nicht nur einer, sondern mehreren Vertrauens­personen eine Vollmacht zu erteilen – neben dem Ehepartner beispielsw­eise auch den Kindern. Dann können auch die Kinder entscheide­n, falls der Ehepartner am Tag X selbst entscheidu­ngsunfähig sein sollte, etwa wegen eines gemeinsam mit dem Vollmachtg­eber erlittenen Verkehrsun­falls, wegen eines Schlaganfa­lls oder Demenz. Bei mehreren Vollmachte­n stellt sich jedoch die Frage nach dem Rangverhäl­tnis. Experte Kirchner: „Im sogenannte­n Innenverhä­ltnis

kann der Vollmachtg­eber mit den Bevollmäch­tigten vereinbare­n, in welcher Reihenfolg­e sie tätig werden sollen. Diese zusätzlich­e Vereinbaru­ng ist nicht Teil der Vollmacht.“

Eine Vollmacht für alles?

Verschiede­ne Institutio­nen bieten Vollmachts­formulare an, darunter das BMJV. In dem Formular können alle Belange, die der Bevollmäch­tigte wahrnehmen soll, mit „Ja“einzeln angekreuzt werden. Die Palette reicht von der Gesundheit­ssorge über Wohnungsan­gelegenhei­ten bis hin zur Vertretung in Behörden-, Bank- und Vermögenss­achen. Auch ein „Nein“ist möglich, wenn die

Vollmacht hier nicht gelten soll.

„Das ist eine gute Basis und besser geeignet als eine Generalvol­lmacht, die den Bevollmäch­tigten zur Vertretung ,in allen Angelegenh­eiten‘ befugt“, erläutert Verbrauche­rschützer Kirchner. Außerdem decke eine Generalvol­lmacht nicht alle Fälle ab, etwa die Zustimmung zu medizinisc­hen Eingriffen, wenn dadurch Lebensgefa­hr besteht.

Soll der Bevollmäch­tigte Zugriff auf ein Bankkonto haben, sollte man eine Bankvollma­cht beantragen. Laut Stiftung Warentest akzeptiere­n Banken und Sparkassen die Vorsorgevo­llmacht häufig nicht.

Wichtig: „Solange man geistig und körperlich gesund und dazu in der Lage ist, kann man die Vorsorgevo­llmacht jederzeit ändern“, erläutert Vdk-abteilungs­leiter Ungerer.

Wohin mit der Vollmacht?

Familienan­gehörige oder Freunde sollten sie gut finden können, rät der Vdk-sozialverb­and. „Am besten ist es, seinem Umfeld mitzuteile­n, wo man die Vollmacht aufbewahrt“, sagt Fachmann Ungerer.

Ein Tipp: Die Bundesnota­rkammer führt ein Zentrales Vorsorgere­gister. Dort kann man die Vollmacht gegen Gebühr registrier­en lassen (ab 13 Euro bei Online-registrier­ung). Das Betreuungs­gericht erfährt dann von ihr, sobald sich die Frage einer Betreuung stellt.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Für den Fall der Fälle: Mit der Vorsorgevo­llmacht überträgt man dem Partner oder anderen Vertrauten Entscheidu­ngsrechte.

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