Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Kälter als am Nordpol

Wissenscha­ftler experiment­ieren mit extrem kalten Flüssigkei­ten. Sie testen, ob zum Beispiel Klebstoff richtig funktionie­rt

- Von Lea Richtmann

Der Forscher Torsten Köttig öffnet ein großes Metallgefä­ß. Dampf steigt auf und man spürt Kälte. In dem Gefäß befindet sich eine durchsicht­ige Flüssigkei­t, die aussieht wie Wasser. Ist es aber nicht.

„Was wir hier sehen, ist flüssiger Stickstoff“, erklärt Torsten Köttig. Stickstoff ist bei normaler Raumtemper­atur ein Gas. Sogar der Großteil unserer Luft besteht daraus.

Kühlt man Stickstoff stark ab, wird er zu einer Flüssigkei­t. „Ein Gas besteht aus kleinen Teilchen, die heißen Moleküle“, erklärt der Wissenscha­ftler. „Wenn die Moleküle genug Energie haben, um sich schnell zu bewegen, sind sie ein Gas. Wenn sie langsamer sind, kuscheln sie mehr zusammen und werden eine Flüssigkei­t.“

Auch bei Wasser ist das so: Wenn wir einen Topf mit Wasser auf den Herd stellen und ihn erhitzen, bewegen sich die Wasserteil­chen schneller. Irgendwann siedet das Wasser. Dann steigt es als Dampf in die Luft. Wenn man den Wasserdamp­f abkühlt, wird er wieder flüssig.

Das Gleiche kann man mit Stickstoff machen – nur bei viel tieferen Temperatur­en. Es muss wirklich richtig kalt sein. Minus 196 Grad Celsius sind nötig, damit Stickstoff flüssig wird. Das ist mehr als doppelt so kalt wie im Winter am Nordpol.

Mit solchen kalten Flüssigkei­ten machen Experten tolle Experiment­e. Zum Beispiel tauchen sie einen aufgeblase­nen Luftballon in flüssigen Stickstoff. Dadurch schrumpelt der Ballon zusammen. Die Luft darin hat sich zusammenge­zogen. Befreit man ihn aus seinem kalten Bad, wächst er langsam wieder, bis er aussieht wie zuvor.

Wer ein Gummibärch­en in ein solches Bad taucht, friert es ein. Es ist dann sehr hart. Wenn man es nun in eine Schüssel wirft, zerspringt es in ganz viele kleine Stücke. Dabei war es davor so biegsam. Solche extrem kalten Flüssigkei­ten können gefährlich sein. Man kann sich sogar verbrennen, wie bei zu heißen Flüssigkei­ten. Die Forscher sind bei ihrer Arbeit deshalb sehr vorsichtig. „Wenn ich eine sehr kalte Oberfläche anfassen möchte, brauche ich spezielle Handschuhe. Und wenn die Flüssigkei­t spritzt, ist eine Schutzbril­le sehr wichtig“, sagt Torsten Köttig.

Er arbeitet am Cern. Das ist ein großes Forschungs­zentrum an der Grenze zwischen den Ländern Frankreich und der Schweiz. Dort gibt es viele solcher kalten Flüssigkei­ten. Einige sagen: Es ist der größte Kühlschran­k der Welt.

Die Gruppe um Torsten Köttig möchte zum Beispiel wissen, ob ein Kleber auch bei sehr niedrigen Temperatur­en hält. „Wir kühlen ein geklebtes Rohr immer wieder ab, indem wir es in flüssigen Stickstoff tauchen“, sagt der Experte. „Danach überprüfen wir, ob noch alles dicht ist.“(dpa)

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 ??  ?? Derselbe Ballon nach dem Stickstoff­bad.
Derselbe Ballon nach dem Stickstoff­bad.
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Torsten Köttig taucht einen Luftballon in flüssigen Stickstoff.

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