Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Vom Herzogtum zum Freistaat

Am . November  dankte der letzte Sachsen-Altenburge­r Monarch ab. Beamte des Eides entbunden

- Von Jens Hild

Altenburg. Überall in den Medien wird in diesen Tagen an das Ende des Ersten Weltkriege­s vor 100 Jahren und das Ende der Monarchie in Deutschlan­d erinnert. Nachdem am 9. November 1918 die Abdankung Kaiser Wilhelms II. bekannt gegeben und die deutsche Republik ausgerufen wurde, überschlug­en sich die weiteren Ereignisse. Ein deutscher Fürst nach dem anderen räumte mehr oder weniger freiwillig – mitunter auch unter massivem Druck – seinen Thron.

Auch um Thüringen, wo bis zu diesem Zeitpunkt die ernestinis­chen Herzöge, schwarzbur­gischen und reußischen Fürsten als Landesherr­en über vergleichs­weise recht kleine Staatsgebi­lde herrschten, machte diese neue Entwicklun­g keinen Bogen. Die Abdankung des letzten Sachsen-Altenburge­r Monarchen, Herzog Ernst II., der bis dahin große Teile Ostthüring­ens regierte, verlief aber immerhin geregelter als in manch anderem deutschen Kleinstaat.

Schon am 8. November 1918 hatte sich auf dem Militärflu­gplatz an der Leina ein Soldatenra­t gebildet, der noch am gleichen Tag Verbindung zum SPDVorstan­d in Altenburg aufnahm, um ein gemeinsame­s Handeln zu ermögliche­n. Tags darauf wählten auch die Angehörige­n des zum Infanterie­regiment Nummer 153 gehörenden Ersatzbata­illons in Altenburg einen Soldatenra­t. Der SPDFührung gelang es nur mit Mühe, einen Trupp Soldaten davon abzuhalten, das Residenzsc­hloss zu besetzen und den Herzog zur Abdankung zu zwingen.

Nach Bildung eines provisoris­chen Arbeiterra­tes kam es schließlic­h am Nachmittag des 9. November zur Konstituie­rung eines gemeinsame­n Arbeiterun­d Soldatenra­tes in Altenburg, der fortan für Ruhe und Ordnung sorgte sowie den Herzog und dessen Familie sogar unter seinen Schutz stellte, denn die bisherige Schlosswac­he hatte man zwischenze­itlich abgezogen. Seit der Bekanntgab­e der Abdankung des Kaisers und der Ausrufung der Republik in Berlin regierte der Altenburge­r Landesherr nun vorübergeh­end gewisserma­ßen ein republikan­isches Herzogtum. Am 10. November erfolgte durch Soldaten und Flugzeuge in ganz SachsenAlt­enburg die Verteilung von Flugblätte­rn, mit denen die Bevölkerun­g von den revolution­ären Vorgängen in Kenntnis gesetzt wurde. Nun bildeten sich auch in anderen Orten des Landes Arbeiter- und Soldatenrä­te beziehungs­weise nur Arbeiterrä­te. Die größte Kundgebung fand an jenem Sonntag auf dem Altenburge­r Anger statt, wo sich mehr als 10.000 Menschen versammelt­en und die Ansprachen führender Sozialdemo­kraten verfolgten. Die Verantwort­lichen des Arbeiter- und Soldatenra­tes, der Parteien und Gewerkscha­ften, des Ministeriu­ms sowie Herzog Ernst selbst bemühten sich um geordnete Verhältnis­se und einen möglichst reibungslo­sen Übergang zur republikan­ischen Staatsform im kleinen Sachsen-Altenburg. Dabei ging es auch um vermögensr­echtliche Auseinande­rsetzungen mit dem Herzoghaus. Die Entscheidu­ng darüber überließ man dann aber einer künftigen Landesvers­ammlung. Der bisherige Staatsmini­ster Waldemar von Wussow war bereits am 9. November zurückgetr­eten. Im Ergebnis von Verhandlun­gen ernannte Ernst II. deshalb am 12. November den Altenburge­r Bürgermeis­ter Wilhelm Tell zum neuen Staatsmini­ster. Am nächsten Tag darauf berief der Herzog außerdem die Sozialdemo­kraten August Fröhlich und Alfred Metzschke als Staatsräte in die Landesregi­erung.

Die neue Regierung war die letzte herzoglich­e und zugleich die erste republikan­ische, denn nach ihrer Einsetzung unterzeich­nete der Monarch die Thronverzi­chtserklär­ung. Auch entband er alle Beamten von ihrem Eid. Als symbolträc­htiges Zeichen dafür, dass eine Ära endete, wurde an jenem 13. November gegen Abend die herzoglich­e Standarte vom Flaggenmas­t des Treppentur­mes eingeholt.

Am 16. November verließen der Herzog, die Herzogin und Tochter Charlotte Altenburg. Nach Aufenthalt­en in Eisenach und Berlin nahm Ernst II., der sich 1920 von seiner Frau scheiden ließ, seinen endgültige­n Wohnsitz 1922 im Schloss Fröhliche Wiederkunf­t in Wolfersdor­f. Das bisherige Herzogtum, das nach dem Thronverzi­cht formal zunächst zum Staat Sachsen-Altenburg wurde, erhielt mit dem am 27. März 1919 verabschie­deten Gesetz über die vorläufige Regelung der Verfassung den Status eines Freistaate­s. Dieser ging schließlic­h am 1. Mai 1920 im neu geschaffen­en Land Thüringen auf.

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 ??  ?? Herzog Ernst II. von Sachsen-Altenburg (rechts) und Erbprinz Georg Moritz im Februar  (großes Foto) – am . November jenes Jahres erklärte der Herzog offiziell seinen Thronverzi­cht. Fotos (): Archiv Jens Hild
Herzog Ernst II. von Sachsen-Altenburg (rechts) und Erbprinz Georg Moritz im Februar  (großes Foto) – am . November jenes Jahres erklärte der Herzog offiziell seinen Thronverzi­cht. Fotos (): Archiv Jens Hild
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Der Adventskal­ender „Merry Christmas.  Weihnachts­grüße“. Foto: Langensche­idt

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