Ostthüringer Zeitung (Schleiz)
Gemälde gehen in den Druck
Das Greizer Sommerpalais zeigt ab morgen und bis . September Schabkunstporträts nach Joshua Reynolds
Greiz. Kaum eine andere europäische Stadt wuchs im 18. Jahrhundert so schnell wie London. Und mit der Stadt ihre wirtschaftliche und finanzielle Oberschicht, die einige tausend einflussreiche Familien zählte. Ebenfalls zu dieser Zeit begründete Joshua Reynolds (1723-1792), einer der erfolgreichsten Maler seiner Zeit, eine neue Ära der Porträtmalerei mit Bildnissen eben jener besser gestellten englischen Gesellschaft.
Direkt nach der Ausstellung seiner Gemälde, vorzugsweise in der 1768 gegründeten Royal Academy, der Reynolds als Präsident vorstand, konnten Sammler auf eine Reproduktion der begehrten Werke hoffen. Denn das 18. Jahrhundert war auch das der Druckgrafiken. Neue technische Verfahren eröffneten zahlreiche gestalterische Möglichkeiten. Besonders die Schabkunst eignete sich bestens, um malerische Darstellungen grafisch umzusetzen – Gemälde gingen sozusagen in den Druck und wurden zu einem finanziellen Erfolg für Verleger, Stecher, Händler. Nie zuvor wurden Haut oder Stoffe so verblüffend lebendig mittels Druckgrafik dargestellt wie die nach Gemälden von Reynolds in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zusätzlich zierten oft wertvolle Legenden mit besonderen Schriftzügen und Wappen das Werk. Bald füllten Schabkunstporträts die Schaufenster zahlreicher Londoner Shops, und der Preis für ein Blatt war nicht unerheblich. Er richtete sich nach Größe, Qualität, Einfluss und Ansehen des Dargestellten und nach der Nachfrage.
Eine, die eifrig Schabkunstporträts nach Reynolds sammelte, war die englische Prinzessin Elisabeth (1770-1840), Tochter von König Georg III. Nach ihrem Tod gelang die Sammlung auf dem Erbweg in die Hände von Fürstin Caroline Reuß Ä.L. nach Greiz und somit in den Bestand der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung. Somit umfasst der hiesige Bestand der Sammlung rund 1000 Schabkunstblätter – allein 450 nach Reynolds. 90 davon werden im Sommerpalais in der Ausstellung „Das abgekupferte Werk als Verkaufsschlager – Schabkunstporträts nach Joshua Reynolds“gezeigt.
Vorausgegangen ist der Schau eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung und Digitalisierung durch die wissenschaftliche Volontärin Dagmar Fehrenbacher (31), die seit Januar 2016 im Sommerpalais beschäftigt ist. Seitdem hat sie 850 Schabkunstblätter aus der Sammlung mit hochauflösender Technik in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena gescannt. Doch den wesentlich größeren Zeitaufwand brachte die wissenschaftliche Recherche zu den Blättern und das Erfassen der Metadaten mit sich.
Nach Professor Hans Singer, der die Sammlung 1920 bis 1922 bearbeitet und lediglich Basiswissen erfasste, ist Dagmar Fehrenbacher nun die erste Wissenschaftlerin die den kompletten Schabkunstbestand in ihrem zweijährigen Volontariat bearbeitet. Einige Digitalisate stehen bereits online – zu finden unter www.museen.thueringen.de.