Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Gesetz in Israel verabschiedet
Tel Aviv. Nach stürmischen Debatten hat Israels Parlament ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das den jüdischen Charakter des Landes stärken soll. Der ursprüngliche Entwurf des sogenannten „Nationalitätsgesetzes“wurde aber entschärft. 62 von 120 Abgeordneten stimmten dafür, 55 dagegen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach von einem „Schlüsselmoment“in der Geschichte des Zionismus und des Staates Israel. Arabische Abgeordnete protestierten lautstark und zerrissen den Gesetzentwurf in einer symbolischen Geste. (dpa)
Wilfried Karl lädt in die „Kreativ-Lounge“. CocktailTische mit Hockern stehen vor der Fensterfront. In der Ecke brummt eine Kaffeemaschine. „It’s coffee time!“, steht in blauer Schrift an der Wand, daneben hängen Zeitschriften in einem Halter. „Der Spiegel“, die Computerzeitschrift „c’t“, das „Drohnenmagazin“. Draußen, im Münchner Osten, rauschen auch an diesem Julimittag Autos auf der A 94 vorbei.
Karl ist Präsident der Zitis, der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich. Der Name klingt nach Bürokratie. Aber Karl will Zitis zu einer Denkfabrik in Sachen IT für Polizei und Verfassungsschutz machen. Er will viel lieber ein „Start-up-Unternehmen“aufbauen als eine Behörde – einen Dienstleister im Kampf gegen Kriminelle. Polizisten und Geheimdienstler bleiben die Chirurgen in den Strafverfahren, aber Zitis will ihnen Skalpelle und Tupfer moderner Cyberforensik liefern.
Präsident Karl, 52, trägt ein helles Hemd, keine Krawatte. In der Kreativ-Lounge achtet er korrekt auf jedes Wort, das er sagt. Auch er weiß, der Einsatz von Überwachungssoftware durch den Staat ist umstritten.
Polizisten berichten, wie sie bei Internetbetrügern, Händlern von Kinderpornografie oder Extremisten verschlüsselte Datenträger sichern – und wie die Auswertungen scheitern. Und wenn Beamte doch ein Handy knacken, sind die Mengen an Daten kaum auszuwerten. Ein Polizist im Fall des Berlin-Attentäters Anis Amri erzählte von mehreren Zehntausend Nachrichten und Fotos auf einem beschlagnahmten Handy.
In einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags erklärte auch der Vizepräsident des Bundeskriminalamts (BKA), Peter Henzler, die Brisanz für seine Behörde. In einem Großverfahren gegen fünf angeklagte Islamisten hatte das BKA 200 Überwachungsmaßnahmen geschaltet. Die Beamten überwachten Handys, Telefonanschlüsse, Emails. Doch trotz der Überwachung sei den Ermittlern ein Großteil der Gespräche verborgen geblieben. Dabei war es keine ausgeklügelte IT-Software, die von den mutmaßlichen Tätern genutzt wurde, sondern Programme gängiger Anbieter: Whatsapp, Skype, Telegram. Es fehlen den Behörden die Werkzeuge, um verschlüsselte Kommunikation zu knacken. Karls Zitis will ihnen helfen.
Zehn Millionen Euro stellte der Bund zum Start der Behörde bereit, zudem 120 Stellen im Haushalt 2017. Bis 2022 soll Zitis auf 400 Mitarbeiter wachsen. Kurz danach will das Amt auf den Campus der BundeswehrUni in Neubiberg ziehen. In den nächsten Jahren werkeln die ITSpezialisten noch in dem Haus an der A 94. Karl führt durch die Räume. Neben der KreativLounge beginnt eine Baustelle, Kabel hängen von der Decke, Teile der Wände fehlen. „Hier entsteht ein abhörsicherer Raum für Besprechungen“, sagt Karl.
Die Behörde finde keine Mitarbeiter. Projekte hätten verschoben werden müssen. So berichten es Medien. Derzeit arbeiten 60 Menschen in dem Amt, zum Ende des Jahres sollen es 80 sein. Karl sieht den Aufbau dagegen als Erfolg, nichts sei verschoben worden.
Derzeit arbeite Zitis an zwölf Projekten. Er nennt ein Beispiel: Ein islamistischer Gefährder steht unter Überwachung in Deutschland. Doch weil die Grenzen in Europa offen sind, kann ein Extremist mit deutschem Pass quer durch die EU reisen. „Da ist es doch wichtig, die Daten der Überwachung auch von den ausländischen Sicherheitsbehörden in Echtzeit an die deutsche Polizei zu senden“, sagt Karl.
Die Regierung geht in die Cyber-Offensive. Die Opposition warnt – und sieht Bürgerrechte und Datenschutz in Gefahr. Bastelt die Behörde an „Staatstrojanern“, mit denen sich die Polizei auf Handys und Laptops von mutmaßlichen Straftätern einschleusen kann? Nutzt sie dafür Lücken in Computerprogrammen aus? Dies sei „Gift für die IT-Sicherheit“, so Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz. Der Staat müsse Lücken bei Software für die Bürger schließen – nicht für die Polizeiarbeit ausnutzen.
Zitis-Präsident Karl widerspricht. Richter würden jede gravierende Maßnahme der Sicherheitsbehörden rechtlich prüfen. Aber: „Es ist ein Spannungsfeld zwischen dem Bekanntmachen von Sicherheitslücken in IT-Systemen und dem Nutzen von eben diesen Lücken durch Polizei und Nachrichtendienste, um Kriminellen auf die Schliche zu kommen. Da hilft nur ein Weg, der Nutzen und Risiko abwägt.“
Software, IT-Technik, Cyberforensik – die Liste der Projekte bei Zitis könnte schnell wachsen. Doch dafür müssen die Fachleute ins Amt.
Abteilungsleiter seien bereits gefunden. Karl zeigt sich zufrieden. Aber er sagt auch: „Ein Nachteil bei der Anwerbung von neuen Mitarbeitern im öffentlichen Dienst ist der zu starke Fokus auf formale Bildungsabschlüsse – und nicht auf die aktuelle Kompetenz einer Person.“Karl will für Zitis am liebsten neue Wege gehen. Am Ende aber, so sagt er, sei es auch der Beamtenstatus, der Bewerber anziehe.