Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Bloß kein Karnevalsgolf
Vor den . US Open der Schlägerschwinger ist die Szene mit Platzdebatten und einer historischen Verletzungserinnerung beschäftigt
man den altehrwürdigen Par-70Kurs etwas umgebaut: die Bahnen schmaler gemäht, eine besonders lange 555-Meter-Bahn integriert und die Par-3s bis fast 240 Meter geweitet. Traditionalisten gefallen solche künstlichen Veränderungen nicht. „Gebt mir meine US Open wieder“, lamentierte etwa Altmeister Jack Nicklaus. Auch die Spieler lieben mehrheitlich klassische Anlagen ohne viel Schnickschnack. „Es ist ein schmaler Grad“, sagt etwa Phil Mickelson, „zwischen Herausforderungen auf höchstem Niveau und Karnevalsgolf.“Der Nordire Rory McIlroy will am liebsten gar keine Kosmetik: „Sie halten uns vielleicht für besser als wir sind. Statt aus dem Set-up eines Platzes eine Wissenschaft zu machen, sollten sie uns einfach spielen lassen.“
Jenseits von Platzdebatten stehen aktuell Maladitäten im Fokus. Martin Kaymer zum Beispiel. Der Deutsche ist nach zwei sehr erfolglosen Jahren im freien Fall auf Weltranglistenposition 118 abgerutscht und wäre gar nicht mehr qualifiziert, hätte er nicht als ehemaliger Sieger der US Open (2014) ein zehnjähriges Startrecht. Kaymer laboriert seit Monaten an einem verschobenen Knochen im Handgelenk, die Folge zigtausendfacher hochdynamischer Schwungbewegungen pro Saison. Bernhard Langer hatte vor vielen Jahren ähnliche Gelenkprobleme. Als hochauflösende Videoanalysen möglich wurden, fand man eine um zwei Grad verschobene Griffhaltung als Ursache. Zwei Grad sind riesig viel. Ändert man diese auf einmal, ist alle Koordination im Eimer. Langer stellte seinen Griff tatsächlich um, über zehn Jahre mit weniger als ein viertel Grad per annum. Heute rockt der weltbeste 60-Jährige aller Zeiten die Seniorentour.
Und da ist Tiger Woods. Für ihn, also die Golfwelt, sind es historische US Open. Zehn Jahre ist es her, dass er sein letztes Major gewann, die US Open 2008. Gegen Landsmann Rocco Mediate gewann er damals das Stechen über eine komplette Runde, mit geschredderten Bändern im knackenden Knie und einer Knochenfraktur im Bein, humpelnd von Loch zu Loch, trotz aller Schmerzen eisenwillig von der Gier nach dem Sieg getrieben. Das Drama wurde sogar verfilmt: „Ein Duell für die Ewigkeit.“Seit diesem Jahr passt der Titel, denn ein solches Epos wird es nicht mehr geben können, weil ein Stechen über 18 Loch gerade abgeschafft wurde. Stattdessen: Sudden Death.
Es war 2008 der 14. Majortitel des damaligen Dominators. Kaum wer zweifelte, dass Woods nach einem dreiviertel Jahr Verletzungspause weitersiegen würde. Es kam anders. Viele Verletzungen, Affären und Sexsuchtherapie und vier Rückenoperationen später ist Woods (42) heute wieder dabei. Ziemlich stabil seit Jahresbeginn und immerhin schon auf Ranglistenplatz 80.
Der Altstar freut sich, dass der Platz nicht weit vom Atlantik entfernt liegt. So kann er an Bord seiner fast Par-3-langen Yacht „Privacy“in Long Island nächtigen (Hafengebühr 1085 Dollar/Nacht) und darf an den ersten beiden Tagen mit den Topfavoriten Dustin Johnson und Justin Thomas (beide USA) auf die Runde gehen. Martin Kaymer, die 118 bei der 118, spielt mit zwei anderen Majorsiegern, mit dem Schweden Henrik Stenson und dem Australier Adam Scott.
Wodds‘ letzter Sieg bei US Open vor zehn Jahren