Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
. Breitengrad
Berlin. Völkerrechtlich sind Nord- und Südkorea bis heute im Kriegszustand. Ein Friedensvertrag wurde nie geschlossen. Korea war nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt, der 38. Breitengrad trennte die Halbinsel wie der Eiserne Vorhang Europa. Die Japaner, die Korea kolonisiert hatten, kapitulierten am Ende des Weltkriegs – der Süden Koreas wurde von den USA, der Norden von der Sowjetunion besetzt. Nordkorea marschierte am 25. Juni 1950 in den Süden ein: der Beginn des Koreakriegs mit rund vier Millionen Toten. Ein Waffenstillstandsabkommen bestätigte am 27. Juli 1953 den 38. Breitengrad als Grenze zwischen dem kommunistischen Norden und dem westlich orientierten Süden. (red) Singapur. Menschenmassen, die ihm begeistert zuwinken – das kennt Kim Jong-un von zu Hause. Vielleicht hat er nicht erwartet, das auch im fernen Singapur zu erleben. Doch als er am Dienstag an seinem Hotel aus der Limousine steigt, brechen die Schaulustigen in Hochrufe aus. Kim grinst breit und winkt. Nordkoreas Diktator konnte sich bei diesem Gipfel tatsächlich als wichtiger Führer bestätigt fühlen. Der US-Präsident behandelte ihn mit dem größten Respekt. Beide gaben sich besonders staatsmännisch, gingen gemessenen Schrittes, schüttelten Hände. Vorteil Trump: Er wirkte vor den Kameras lockerer als Kim.
Trump lobt Kim dafür, wie gut er sein Land regiert
Den Gesprächspartnern war die gegenseitige Sympathie anzusehen. Tatsächlich scheint Kim dem US-Präsidenten hinter verschlossenen Türen mächtig geschmeichelt zu haben. Denn Trump lobte ihn hinterher über den grünen Klee. Es sei bemerkenswert, wie gut Kim sein Land regiere – und das, obwohl er schon in so jungen Jahren die Macht übernehmen musste. Kim sei „unglaublich talentiert“, eine „bemerkenswerte Persönlichkeit“, ein „ganz besonderer junger Mann“. So etwas sagt Trump über Leute, die er zwar nicht für schwach hält, die ihm aber auch nicht widersprechen und seine Fähigkeiten nicht infrage stellen.
Kim hatte ihm schon bei der Ankunft am Konferenzort respektvoll den Vortritt gelassen, wie es sich in der koreanischen Kultur gegenüber dem Älteren gehört. Er war offenbar entschlossen, dieses Treffen zum Erfolg zu machen.
Bei seiner Pressekonferenz nach dem Gipfel sagte Trump dann, er habe 25 Stunden nicht geschlafen und stattdessen ohne Pause verhandelt. Das nährte ein Gerücht: Kim und Trump hätten sich bereits am Montag heimlich abgesprochen. Das würde zumindest die Existenz eines unterschriftsreifen Dokuments erklären. Andererseits war das Dokument unklar genug, um rasch formuliert worden zu sein. Trump ging über die Lücken in der gemeinsamen Erklärung einfach hinweg. „Der Prozess beginnt jetzt sehr schnell“, erklärte er. „Da steckt sehr viel guter Willen von beiden Seiten drin.“
Der US-Präsident zeigte sich rundum zufrieden mit seiner Leistung als Verhandlungsführer. „Wir haben einen sehr intensiven halben Tag miteinander verbracht und fantastische Ergebnisse erzielt.“Seine Leistung gehe weit über das hinaus, was andere Präsidenten vor ihm mit Nordkorea erreicht haben. Experten widersprechen: Bereits 1993 und mehrfach danach haben Kims Vater und Großvater ähnliche Vereinbarungen unterschrieben. Sie haben sie stets gebrochen. Dennoch: Für Trump scheint an diesem Dienstag das Fiasko um den G7-Gipfel in Kanada vergessen – im Vordergrund steht er stattdessen als USPräsident, der das Unmögliche möglich macht. Er brach am Dienstag tatsächlich durch sein eigenwilliges Verhalten eine verkrustete Situation auf.
Und Kim? Für ihn ging hier ein Traum in Erfüllung, den schon sein Vater hegte: auf der Weltbühne als mächtiger Herrscher ernst genommen zu werden. Der mächtigste Mann der Welt begegnete ihm auf Augenhöhe. Nordkoreas Medien haben bereits am Dienstag umfangreich über die Reise ihres „geliebten, respektierten Führers“berichtet. Noch nie ist einer der Machthaber des Landes offiziell so weit gereist. Die „Arbeiterzeitung“brachte auf der Titelseite eine lange Reihe von Farbbildern mit Kim beim Besuchsprogramm in der Wirtschaftsmetropole Singapur mit Wolkenkratzern im Hintergrund.
Am Ende ließ Trump seinen neuen Partner noch einen Blick in seine Limousine werfen. Das gepanzerte „Beast“war wie üblich aus den USA eingeflogen worden. Kim schien es selbst kaum glauben zu können. „Viele Leute in der Welt werden das für eine Art Fantasie halten, aus einem Science-Fiction-Film“, sagte er. Der Mann, der Zehntausende in Arbeitslagern schindet – plötzlich ist er salonfähig.