Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Lehrer wegen Freiheitsberaubung verurteilt
Neuss. Strafarbeiten, Nachsitzen und ähnliche Erziehungsmethoden in der Schule hat ein Gericht in Nordrhein-Westfalen infrage gestellt. Der Amtsrichter Heiner Cöllen verurteilte einen Realschullehrer in Neuss am Mittwoch wegen Freiheitsberaubung, weil er Schüler am Verlassen des Klassenraums gehindert hatte. Cöllen sprach den Pädagogen schuldig, beließ es aber bei einer „Verwarnung mit Strafvorbehalt“.
Als Auflage muss sich der Musiklehrer im Umgang mit undisziplinierten Schülern fortbilden. Andernfalls drohen ihm 1000 Euro Geldstrafe. Vom Vorwurf der Körperverletzung wurde der Pädagoge freigesprochen.
Der Lehrer hatte einer lauten Schulklasse im Unterricht eine schriftliche Arbeit aufgebrummt: Sie mussten einen Wikipedia-Eintrag über einen Musiker abschreiben. Nach dem Unterricht mussten die Sechstklässler ihre Arbeiten einzeln abgeben. Dabei hatte der Lehrer mehrere Schüler daran gehindert, den Raum zu verlassen. Einer von ihnen hatte per Handy die Polizei gerufen.
Zudem hatte der 50-Jährige einem der Schüler bei der Rückgabe einer Arbeit mit der Faust in den Bauch getroffen. Der Schüler selbst wollte dem Pädagogen am Mittwoch im Zeugenstand aber keine Absicht unterstellen: Es habe auch nicht lange wehgetan, versicherte der 13Jährige. Die letzte Stunde sei zu Ende gewesen und alle hätten schnell nach Hause gewollt.
Zwar versicherte der Richter dem Angeklagten „volles Verständnis für ihren schweren Job“: „Was macht ein Lehrer, dem die Schüler auf der Nase herumtanzen?“, fragte er. Dass sich der Lehrer nach Unterrichtsende mit seinem Stuhl und einer Gitarre auf den Knien vor die Klassentür gesetzt und Schüler nicht herausgelassen habe, erfülle dennoch den Tatbestand der Freiheitsberaubung.
Das Abschreibenlassen eines Wikipedia-Eintrags sei zudem wohl eine unzulässige Kollektivmaßnahme gewesen. Aber darauf komme es nicht an.
Die letzte Schulstunde des Tages war laut und die Schüler unruhig. Da setzte sich der Lehrer zum Ende quer vor die Klassentür. Das hätte er besser nicht getan. Nun muss er bei einer Fortbildung selbst nachsitzen.