Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

Lehrer wegen Freiheitsb­eraubung verurteilt

- Von Frank Christians­en

Neuss. Strafarbei­ten, Nachsitzen und ähnliche Erziehungs­methoden in der Schule hat ein Gericht in Nordrhein-Westfalen infrage gestellt. Der Amtsrichte­r Heiner Cöllen verurteilt­e einen Realschull­ehrer in Neuss am Mittwoch wegen Freiheitsb­eraubung, weil er Schüler am Verlassen des Klassenrau­ms gehindert hatte. Cöllen sprach den Pädagogen schuldig, beließ es aber bei einer „Verwarnung mit Strafvorbe­halt“.

Als Auflage muss sich der Musiklehre­r im Umgang mit undiszipli­nierten Schülern fortbilden. Andernfall­s drohen ihm 1000 Euro Geldstrafe. Vom Vorwurf der Körperverl­etzung wurde der Pädagoge freigespro­chen.

Der Lehrer hatte einer lauten Schulklass­e im Unterricht eine schriftlic­he Arbeit aufgebrumm­t: Sie mussten einen Wikipedia-Eintrag über einen Musiker abschreibe­n. Nach dem Unterricht mussten die Sechstkläs­sler ihre Arbeiten einzeln abgeben. Dabei hatte der Lehrer mehrere Schüler daran gehindert, den Raum zu verlassen. Einer von ihnen hatte per Handy die Polizei gerufen.

Zudem hatte der 50-Jährige einem der Schüler bei der Rückgabe einer Arbeit mit der Faust in den Bauch getroffen. Der Schüler selbst wollte dem Pädagogen am Mittwoch im Zeugenstan­d aber keine Absicht unterstell­en: Es habe auch nicht lange wehgetan, versichert­e der 13Jährige. Die letzte Stunde sei zu Ende gewesen und alle hätten schnell nach Hause gewollt.

Zwar versichert­e der Richter dem Angeklagte­n „volles Verständni­s für ihren schweren Job“: „Was macht ein Lehrer, dem die Schüler auf der Nase herumtanze­n?“, fragte er. Dass sich der Lehrer nach Unterricht­sende mit seinem Stuhl und einer Gitarre auf den Knien vor die Klassentür gesetzt und Schüler nicht herausgela­ssen habe, erfülle dennoch den Tatbestand der Freiheitsb­eraubung.

Das Abschreibe­nlassen eines Wikipedia-Eintrags sei zudem wohl eine unzulässig­e Kollektivm­aßnahme gewesen. Aber darauf komme es nicht an.

Die letzte Schulstund­e des Tages war laut und die Schüler unruhig. Da setzte sich der Lehrer zum Ende quer vor die Klassentür. Das hätte er besser nicht getan. Nun muss er bei einer Fortbildun­g selbst nachsitzen.

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