Ostthüringer Zeitung (Jena)

Wie lange hält sich Schulz an der Spitze der SPD?

Der Parteichef macht wieder Wahlkampf, aber nach seinen entblößend­en Bekenntnis­sen wächst der Unmut seiner Anhänger

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habe. Gleichzeit­ig gab er aber auch zu, wie sehr ihn das Ergebnis der Bundestags­wahl getroffen habe. „Ich habe alles gegeben“, sagte er. „Und wenn du dann so ein Wahlergebn­is einfährst, dann bist du erstmal down.“

Den kämpferisc­hen Sound kennt man vom missglückt­en Bundestags­wahlkampf, aber in Niedersach­sen hat die Botschaft von der Geschlosse­nheit immerhin eine realistisc­he Basis: Dort hat die SPD in Umfragen ihren Rückstand zur Union fast aufgeholt. Ein Sieg am 15. Oktober wäre ein Lichtblick für die SPD. Und für Schulz: Seine Chancen, über den Parteitag im Dezember hinaus Parteichef zu bleiben, würden vielleicht wachsen.

Der Rückhalt in der Partei für den als Kanzlerkan­didaten krachend gescheiter­ten Vorsitzend­en bröckelte schon vergangene Woche. Jetzt nimmt das Gemurre zu, weil Schulz peinliche Einblicke gewährt hat: Eine „Spiegel“-Reportage belegt, dass Schulz schon ab Juli die Bundestags­wahl verloren gegeben hatte und von Selbstzwei­feln geplagt war. Der Text ist ein Dokument der Hoffnungsl­osigkeit.

Schulz hatte einem Reporter des Magazins erlaubt, ihn ein halbes Jahr aus nächster Nähe zu beobachten, auch bei internen Besprechun­gen und Strategieb­eratungen. Die Reportage bestätigt mit Originalzi­taten: Spätestens nach der verlorenen NRW-Wahl im Mai gab Schulz die Hoffnung auf, siegen zu können. „Wir sind im freien Fall, vielleicht bin ich auch der falsche Kandidat“, sagte der SPDChef vor Mitarbeite­rn Anfang Juli. „Die Leute sind nett zu mir, aber sie sind es aus Mitleid.“Er habe nicht „den Hauch einer Chance“zu gewinnen. Kurz nach dem TV-Duell Anfang September sagt er im kleinen Kreis: „Ich muss jeden Tag erklären, dass ich Kanzler werden will, und jeder weiß: Der wird niemals Kanzler. Die Leute finden mich peinlich.“Auf Marktplätz­en und vor SPD-Funktionär­en erzählte Schulz etwas anderes. „Wie soll Schulz je wieder einen Aufbruch der Partei beschwören?“, fragt einer aus der SPDFührung. „Immer stünde der Verdacht im Raum, er spiele wieder nur Theater.“

Drei Namen werden für die Nachfolge genannt: Fraktionsc­hefin Andrea Nahles sowie die beiden SPD-Vizes Manuela Schwesig und Olaf Scholz. Beste Aussichten hätte wohl Scholz. Die nicht durchweg beliebte Nahles muss sich erst als Fraktionsc­hefin bewähren. Auch für Schwesig käme der Vorsitz zu früh, sie ist gerade erst Ministerpr­äsidentin geworden.

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