Ostthüringer Zeitung (Jena)

Keine Opferrolle für die AfD

- Von Philipp Neumann

Das geht ja gut los: Die sechs Parteien im neuen Bundestag können sich nicht auf die Sitzordnun­g im Plenarsaal verständig­en. Auch um Büros und Sitzungsrä­ume wird gestritten. Organisati­onsfragen sind Machtfrage­n, heißt es. Der Spruch gilt gerade im Bundestag. Die bisher im Parlament vertretene­n Parteien wollen möglichst wenig Macht abgeben, die AfD soll möglichst wenig bekommen.

Sie soll ein einmaliger Betriebsun­fall sein. Das ist kein kluger Umgang mit dieser Partei.

Fakt ist: Die AfD ist in einer demokratis­chen Wahl in den Bundestag gekommen. Fast sechs Millionen Wähler haben ihr die Zweitstimm­e gegeben. Das bedeutet: Für sie gelten dieselben Rechte und Pflichten wie für andere Parteien im Bundestag. Die AfD wird einen Vizepräsid­enten stellen, sie wird den Vorsitz in einigen Ausschüsse­n besetzen. Ihre Abgeordnet­en werden Annehmlich­keiten und Privilegie­n genießen. Das mag angesichts der Positionen, die die AfD vertritt, und angesichts des Personals, das sie in den Bundestag schickt, schwer zu ertragen sein. Aber es gehört zur Demokratie.

Es wäre falsch, die AfD mit Geschäftso­rdnungstri­cks oder albernem Streit um Sitzplätze ins Abseits zu stellen. Je mehr sie im Bundestag behindert und ausgegrenz­t wird, desto größer ist die Chance, dass sich AfDAbgeord­nete als Opfer in Szene setzen. Im Wahlkampf hat genau dieser Mechanismu­s der Partei viele Stimmen gebracht.

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