Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
England übt schon Elfmeter
Trainer Southgate lässt seit März den Ernstfall proben. Für ihn ist es auch Trauma-Bewältigung
Thema mit den Elfmetern, und so weiß man inzwischen einiges über die Details dieser Trainingspraktiken. Die Spieler werden seit März ermutigt, zum Ende jeder Einheit den Ernstfall zu simulieren, inklusive des langen Gangs von der Mittellinie zum Punkt. Außerdem wird individuelles Coaching angeboten, für das unter anderem mit psychometrischen Tests von jedem Spieler eine Art Elfmeterschützenprofil erstellt wurde.
Bereits seit Mai steht außerdem die Liste der fünf Schützen wie eine mit fünf Ersatzleuten. Doch nicht nur das. Southgate hat auch festgelegt, welcher Betreuer auf dem Platz stehen darf und welcher nicht. „Wir haben verschiedene Studien und Übungen durchgeführt“, präzisierte er. „Wir müssen sicherstellen, dass wir das Geschehen kontrollieren, dass es ruhig ist und nicht zu viele Stimmen in den Köpfen der Spieler herumschwirren.“Elfmeterschießen habe mit Glück nichts zu tun: „Es geht darum, unter Druck eine Technik auszuführen.“
Dem Trauma offensiv begegnen: so kann man es auch nennen. Neben den biografischen Hintergründen fügt sich Southgates Reformgeist auch in eine neue Sportkultur in England, wo spätestens seit Olympia 2012 in London eine Verwissenschaftlichung den früheren Spontaneitätsansatz verdrängt hat. Doch seine Vorgänger lehnten eine zu obsessive Beschäftigung mit dem Thema noch ab. Wie Roy Hodgson, Trainer bei den drei letzten Turnieren, zu spotten pflegte: „Trainieren kannst du Elfmeter, bis die Kuh nach Hause kommt.“
Jetzt haben sie es trotzdem getan, auf die Ergebnisse darf man im Fall der Fälle gespannt sein.