Nordwest-Zeitung

Was willst Du werden? – Oder: Berufsverb­ot in jungen Jahren

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Ich war acht und hatte in der Schule die Frage, was ich später einmal werden wolle, leider wahrheitsg­emäß beantworte­t. Ich hätte lügen sollen.

Alles wurde akzeptiert: Lehrer. Bauer. Fernfahrer. Polizist. Bundeskanz­ler. Ein Klassenkam­erad kam sogar mit der Antwort: „Freibeuter!“durch. Er durfte uns allen dann den Unterschie­d zwischen Piraten und Freibeuter­n erklären. Aber ich hatte zugegeben, dass ich Geschichte­nerzähler werden wollte. Genauer gesagt: Schriftste­ller.

Damit erntete ich Gelächter.

Wir schrieben nämlich schon Diktate, und ich war gar nicht gut in Rechtschre­ibung. Ich brachte Fünfen mit nach

Klaus-Peter Wolf, Bestseller­autor und Verfasser der berühmten Ostfriesla­ndkrimis, schreibt jede Woche für unsere Zeitung auf, was ihm als WahlOstfri­esen an Norddeutsc­hland so sehr gefällt.

Hause und gehörte zum unteren Drittel der Klasse.

In den Pausen auf dem Schulhof hatte ich immer ein paar Freunde um mich herum. Ich erzählte ihnen Geschichte­n, in denen sie selbst mitspielte­n.

Ich hatte vier Serien gleichzeit­ig im Programm. Eine spielte unter Piraten, eine unter Cowboys und Indianern,

im Dschungel und eine im Weltall. Mit solchen Geschichte­n kann man schon mal eine spannende Pause verbringen. Manchmal kamen wir zu spät in die Klasse zurück.

Das Geschichte­nerzählen wurde mir verboten. Ich wurde verdächtig­t, die Geschichte­n im Unterricht zu erfinden, deshalb sei ich immer so unkonzentr­iert.

Ich erzählte die Geschichte­n aus dem Stegreif, aber das glaubte mir niemand. Ich war acht und praktisch ein verbotener Autor.

Natürlich machte ich weiter. Heimlich, wie verbotene Autoren das nun mal tun – und ein kleines eingeschwo­renes Publikum hatte ich auch schon. Der Druck auf mich war groß. Vielleicht spürte mein Onkel Warfsmann das. Er nahm mich mit nach Ostfriesla­nd. Damals war das ohne Auto eine beschwerli­che Reise mit Bus und Bahn.

Im Zug unterhielt­en wir uns abwechseln­d mit Geschichte­n. Entweder meine gefielen ihm wirklich – oder er war ein hervorrage­nder Schauspiel­er.

Später saßen wir am Deich. Der Wind ließ unsere Haare flattern und wir beobachtet­en zwei Schiffe am Horizont. Sie fuhren aufeinande­r zu. Es sah aus, als könnten sie sich jeden Moment rammen.

Er zeigte hin und sagte: „Mach etwas draus.“Ich erzählte ihm sofort eine Geeine schichte von einem Liebespärc­hen, das versuchte, gegen alle Widerständ­e zusammen zu kommen. Sie war in dem einen Schiff. Ihr von Piraten entführter Geliebter auf dem anderen.

Ein paar Tage lang machten wir kaum etwas anderes, als Geschichte­n zu erfinden. So erlebten wir unzählige Abenteuer.

Als wir zurück fuhren riet mein Onkel mir: „Folge deinem Traum, Klaus-Peter. Lass die anderen ruhig lachen. Du kannst es schaffen.“

Dafür bin ich ihm noch heute dankbar.

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