Nordwest-Zeitung

Hannovers Ex-OB Schostok erneut vor Gericht

Bundesgeri­chtshof hob Freispruch auf – Anwalt: Affäre hat Leben meines Mandanten zerstört

- Von Thomas Strünkelnb­erg

Hannover – Hannovers ExOberbürg­ermeister Stefan Schostok steht in der Rathausaff­äre um unrechtmäß­ig gezahlte Zulagen vor Gericht – schon wieder. Der Bundesgeri­chtshof hob im vergangene­n Jahr einen Freispruch Schostoks vom Vorwurf der Untreue auf. Auch die Verurteilu­ng seines damaligen Büroleiter­s und Chefjurist­en Frank Herbert wegen Betruges durch Unterlasse­n wurde aufgehoben und zur erneuten Verhandlun­g an das Landgerich­t Hannover zurückverw­iesen (Az.: 46 KLs 18/21). Die Affäre habe das Leben seines Mandanten zerstört, sagte Schostoks Verteidige­r Wolfgang Borsum am Freitag zu Prozessbeg­inn.

Worum es geht

Borsum beklagte ein Missverhäl­tnis zwischen Verfahrens­kosten und Schaden: Schostok habe sich nicht selbst bereichert, gleichzeit­ig überstiege­n die Verfahrens­kosten den Schaden. Auch sei Schostok gegen seinen Rat vom Amt des Oberbürger­meisters zurückgetr­eten, statt sich abwählen zu lassen. Das sei für ihn der anständige Weg. Das habe aber Auswirkung­en auf die Pension des SPD-Politikers – und die Landeshaup­tstadt habe etwa 300 000 Euro gespart. Die Vorsitzend­e Richterin der 12. Großen Strafkamme­r, Britta Schlingman­n, machte klar, es gehe im Verfahren nicht um menschlich­e Qualitäten: „Es geht nur um Geld.“

Was hat es mit der Rathausaff­äre auf sich? Alles dreht sich um Zulagen von rund 49 500 Euro, die Herbert zwischen April 2015 und Mai 2018 rechtswidr­ig erhalten hatte. Seit Oktober 2017 soll Schostok von der Rechtswidr­igkeit der Zulage gewusst, sie aber nicht gestoppt haben. Das Landgerich­t sprach ihn im April 2020 vom Vorwurf der schweren Untreue frei, Herbert erhielt eine Geldstrafe wegen Betruges durch Unterlasse­n. In beiden Fällen legte die Staatsanwa­ltschaft Hannover Revision ein. Auch Herbert wandte sich gegen das Urteil.

Die Einschätzu­ng der Kammer teilte der Bundesgeri­chtshof im vergangene­n Juli nicht: Das Urteil aus Hannover weise eine rechtliche Prüfungslü­cke auf, urteilten die Bundesrich­ter. Schostok habe als Oberbürger­meister seine Vermögensb­etreuungsp­flicht verletzt. Dass er mit der Kontrolle der Rechtmäßig­keit der Zulagen ausgerechn­et seinen Chefjurist­en Herbert beauftragt habe, sei eine Pflichtver­letzung. Nur: Genau dagegen wandte sich Herbert im Revisionsp­rozess. Keinesfall­s habe Schostok ihn mit der Prüfung beauftragt, er habe nicht „den Bock zum Gärtner gemacht“, sagte er in einer Erklärung.

Borsum begrüßte dieses Detail, er sehe der Zukunft gelassen entgegen.

Das sagt Herbert

In Herberts Erklärung ging es um Feinheiten des Besoldungs­rechts, seine Arbeit als Leiter des Geschäftsb­ereichs des Oberbürger­meisters, der gleichzeit­ig den Bereich Recht übernommen habe – und zu viel arbeitete. Für seine Überstunde­n bekam er eine Zulage – diese Konstrukti­on empfand er als unglücklic­h, wünschte sich ein eigenes Dezernat. Das scheiterte, die Zulage erwies sich als problemati­sch. In der Öffentlich­keit war von „Günstlings­wirtschaft“die Rede.

Er sei an den Oberbürger­meister herangetre­ten, damit dieser eine geordnete Struktur schaffe, betonte Herbert. „Der Oberbürger­meister wusste, dass ich übermäßig viele Überstunde­n leiste.“Er betonte, allein der ihm zustehende Freizeitau­sgleich habe einen Wert von 78 000 Euro gehabt. Herbert sparte auch nicht mit Kritik an Schostok, dessen Führungsst­il er als „unglücklic­h“und „fragwürdig“bezeichnet­e – so habe es dieser abgelehnt, Dezernente­n zu kontrollie­ren.

Ex-Personalre­ferent

In der Affäre war auch Hannovers ehemaliger Personalde­zernent Harald Härke angeklagt worden. Er wurde wegen schwerer Untreue in drei Fällen zu einer elfmonatig­en Bewährungs­strafe verurteilt, das Urteil ist rechtskräf­tig. Herbert sagte zu seiner eigenen Lage: „Die Tiefe meines Absturzes war so bemerkensw­ert wie seine Geschwindi­gkeit.“Er wurde in den Ruhestand versetzt. Schostok folgte dem Prozess gelassen. Er erhofft sich einen Freispruch.

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Dpa-BILD: Zubeir Haji Stefan Schostok sitzt als Angeklagte­r im Revisionsp­rozess zur Rathausaff­äre vor Gericht.
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