Hannovers Ex-OB Schostok erneut vor Gericht
Bundesgerichtshof hob Freispruch auf – Anwalt: Affäre hat Leben meines Mandanten zerstört
Hannover – Hannovers ExOberbürgermeister Stefan Schostok steht in der Rathausaffäre um unrechtmäßig gezahlte Zulagen vor Gericht – schon wieder. Der Bundesgerichtshof hob im vergangenen Jahr einen Freispruch Schostoks vom Vorwurf der Untreue auf. Auch die Verurteilung seines damaligen Büroleiters und Chefjuristen Frank Herbert wegen Betruges durch Unterlassen wurde aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Hannover zurückverwiesen (Az.: 46 KLs 18/21). Die Affäre habe das Leben seines Mandanten zerstört, sagte Schostoks Verteidiger Wolfgang Borsum am Freitag zu Prozessbeginn.
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Worum es geht
Borsum beklagte ein Missverhältnis zwischen Verfahrenskosten und Schaden: Schostok habe sich nicht selbst bereichert, gleichzeitig überstiegen die Verfahrenskosten den Schaden. Auch sei Schostok gegen seinen Rat vom Amt des Oberbürgermeisters zurückgetreten, statt sich abwählen zu lassen. Das sei für ihn der anständige Weg. Das habe aber Auswirkungen auf die Pension des SPD-Politikers – und die Landeshauptstadt habe etwa 300 000 Euro gespart. Die Vorsitzende Richterin der 12. Großen Strafkammer, Britta Schlingmann, machte klar, es gehe im Verfahren nicht um menschliche Qualitäten: „Es geht nur um Geld.“
Was hat es mit der Rathausaffäre auf sich? Alles dreht sich um Zulagen von rund 49 500 Euro, die Herbert zwischen April 2015 und Mai 2018 rechtswidrig erhalten hatte. Seit Oktober 2017 soll Schostok von der Rechtswidrigkeit der Zulage gewusst, sie aber nicht gestoppt haben. Das Landgericht sprach ihn im April 2020 vom Vorwurf der schweren Untreue frei, Herbert erhielt eine Geldstrafe wegen Betruges durch Unterlassen. In beiden Fällen legte die Staatsanwaltschaft Hannover Revision ein. Auch Herbert wandte sich gegen das Urteil.
Die Einschätzung der Kammer teilte der Bundesgerichtshof im vergangenen Juli nicht: Das Urteil aus Hannover weise eine rechtliche Prüfungslücke auf, urteilten die Bundesrichter. Schostok habe als Oberbürgermeister seine Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Dass er mit der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zulagen ausgerechnet seinen Chefjuristen Herbert beauftragt habe, sei eine Pflichtverletzung. Nur: Genau dagegen wandte sich Herbert im Revisionsprozess. Keinesfalls habe Schostok ihn mit der Prüfung beauftragt, er habe nicht „den Bock zum Gärtner gemacht“, sagte er in einer Erklärung.
Borsum begrüßte dieses Detail, er sehe der Zukunft gelassen entgegen.
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Das sagt Herbert
In Herberts Erklärung ging es um Feinheiten des Besoldungsrechts, seine Arbeit als Leiter des Geschäftsbereichs des Oberbürgermeisters, der gleichzeitig den Bereich Recht übernommen habe – und zu viel arbeitete. Für seine Überstunden bekam er eine Zulage – diese Konstruktion empfand er als unglücklich, wünschte sich ein eigenes Dezernat. Das scheiterte, die Zulage erwies sich als problematisch. In der Öffentlichkeit war von „Günstlingswirtschaft“die Rede.
Er sei an den Oberbürgermeister herangetreten, damit dieser eine geordnete Struktur schaffe, betonte Herbert. „Der Oberbürgermeister wusste, dass ich übermäßig viele Überstunden leiste.“Er betonte, allein der ihm zustehende Freizeitausgleich habe einen Wert von 78 000 Euro gehabt. Herbert sparte auch nicht mit Kritik an Schostok, dessen Führungsstil er als „unglücklich“und „fragwürdig“bezeichnete – so habe es dieser abgelehnt, Dezernenten zu kontrollieren.
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Ex-Personalreferent
In der Affäre war auch Hannovers ehemaliger Personaldezernent Harald Härke angeklagt worden. Er wurde wegen schwerer Untreue in drei Fällen zu einer elfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, das Urteil ist rechtskräftig. Herbert sagte zu seiner eigenen Lage: „Die Tiefe meines Absturzes war so bemerkenswert wie seine Geschwindigkeit.“Er wurde in den Ruhestand versetzt. Schostok folgte dem Prozess gelassen. Er erhofft sich einen Freispruch.