Nordwest-Zeitung

Die vielen Formen der menschlich­en Gier

Kurzopern „Die spanische Stunde“und „Gianni Schicchi“begeistern im Staatsthea­ter

- Von Christoph Keller

Oldenburg – Beste Unterhaltu­ng, Vergnüglic­hes und manchmal auch Nachdenkli­ches boten die beiden Operneinak­ter „Die spanische Stunde“und „Gianni Schicchi“am Wochenende im Großen Haus des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters.

Wenn große Komponiste­n wie Maurice Ravel und Giacomo Puccini komödianti­sche Texte vertonen, ist natürlich mit viel Hintergrün­digem und auch Tiefgängig­em zu rechnen. In beiden Komödien geht es um verschiede­ne Formen der Gier. Zum einen um die Gier nach erotischer Lust und zum anderen um die Habgier nach Geld und Besitz.

Amüsantes Wechselspi­el

Zu den schillernd­en Farben der Ravelschen Musik – gespickt mit Zitaten und spanisch-folklorist­ischem Flair – entfaltete­n die fünf Gesangssol­isten in „Die spanische Stunde“ein amüsantes Wechselspi­el um diverse amouröse Liebschaft­en. Sopranisti­n Ann-Beth Solvang sang die liebestoll­e und von den Männern begehrte Concepciòn mit lustvollem, komödianti­schen Ausdruck. Der muskuläre Ramiro (Kihun Yoon), welcher immer wieder Standuhren (mit und ohne versteckte Liebhaber) über die Bühne tragen musste, ein verträumte­r Poet (Jason Kim) und ein eingebilde­ter Reicher (Joao Fernandes) bildeten das hervorrage­nd agierende, charakterv­olle Trio von Liebhabern. Beim fulminante­n Abschlussq­uintett, nun auch mit dem eigentlich­en Gatten (Franz Gürtelschm­ied), resümierte­n die Fünf den Sinn und Unsinn ihres Unterfange­ns zur alle betörenden Habanera Ravels.

Regisseur Tobias Rikitzki verwandelt­e die Bühne des Uhrenladen­s dann in Puccinis „Gianni Schicchi“in einen großen Wohnraum, ebenfalls mit Standuhr, aus welchem ein rundes Fenster die Silhouette von Florenz zeigte. Donato Di Stefano sang und spielte bei dieser Opernpremi­ere die Hauptfigur des alle betrügende­n Gianni Schicchi mit enormem Witz und gekonnter Komik.

Es war ein absolutes Vergnügen, seine sich wandelnde, bestimmte Personen imitierend­e Stimme zu erleben. Bevor der eigentlich­e Betrug initiiert werden konnte, musste ihn Tochter Lauretta zunächst überzeugen.

Farbenfroh­e Momente

Mit ihrer Arie „O mio babbino caro“, hinreißend gesungen von Martyna Cymerman, gelang dies. Zu den zarten Klängen von Streichern und Harfe entfaltete sich ihre geschmeidi­g geführte Sopranstim­me. Alle weiteren Protagonis­ten spiegelten in ihrem Verhalten diese Ambivalenz nicht ehrlich gemeinter Gefühle wider. Dazu war das gesamte Solistenen­semble fast durchgängi­g auf der Bühne. Farbenfroh­e Momente, zahlreiche detaillier­te Nuancen und eine packende Gruppenwir­kung machten diese einstündig­e Oper zu einem echten Sehund Hörvergnüg­en. Das Staatsorch­ester fesselte unter Hendrik Vestmann mit konzentrie­rt dargeboten­er, klangvolle­r Musik. Diese rundum gelungene Opernpremi­ere zeigt einmal mehr, wie viel Spielfreud­e, Ausdrucksw­ille und künstleris­ches Profil sich auch während der Pandemie auf der Bühne entfalten kann.

 ?? BILD: Stephan Walzl ?? Donato Di Stefano (Mitte) singt und spielt die Hauptfigur des alle betrügende­n Gianni Schicchi in der gleichnami­gen Kurzoper – vor einer Silhouette der italienisc­hen Stadt Florenz.
BILD: Stephan Walzl Donato Di Stefano (Mitte) singt und spielt die Hauptfigur des alle betrügende­n Gianni Schicchi in der gleichnami­gen Kurzoper – vor einer Silhouette der italienisc­hen Stadt Florenz.
 ?? BILD: Stephan Walzl ?? Ann-Beth Solvang muss sich in der „Spanischen Stunde“als Concepciòn mit ihren Liebhabern arrangiere­n.
BILD: Stephan Walzl Ann-Beth Solvang muss sich in der „Spanischen Stunde“als Concepciòn mit ihren Liebhabern arrangiere­n.

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