Die vielen Formen der menschlichen Gier
Kurzopern „Die spanische Stunde“und „Gianni Schicchi“begeistern im Staatstheater
Oldenburg – Beste Unterhaltung, Vergnügliches und manchmal auch Nachdenkliches boten die beiden Operneinakter „Die spanische Stunde“und „Gianni Schicchi“am Wochenende im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters.
Wenn große Komponisten wie Maurice Ravel und Giacomo Puccini komödiantische Texte vertonen, ist natürlich mit viel Hintergründigem und auch Tiefgängigem zu rechnen. In beiden Komödien geht es um verschiedene Formen der Gier. Zum einen um die Gier nach erotischer Lust und zum anderen um die Habgier nach Geld und Besitz.
Amüsantes Wechselspiel
Zu den schillernden Farben der Ravelschen Musik – gespickt mit Zitaten und spanisch-folkloristischem Flair – entfalteten die fünf Gesangssolisten in „Die spanische Stunde“ein amüsantes Wechselspiel um diverse amouröse Liebschaften. Sopranistin Ann-Beth Solvang sang die liebestolle und von den Männern begehrte Concepciòn mit lustvollem, komödiantischen Ausdruck. Der muskuläre Ramiro (Kihun Yoon), welcher immer wieder Standuhren (mit und ohne versteckte Liebhaber) über die Bühne tragen musste, ein verträumter Poet (Jason Kim) und ein eingebildeter Reicher (Joao Fernandes) bildeten das hervorragend agierende, charaktervolle Trio von Liebhabern. Beim fulminanten Abschlussquintett, nun auch mit dem eigentlichen Gatten (Franz Gürtelschmied), resümierten die Fünf den Sinn und Unsinn ihres Unterfangens zur alle betörenden Habanera Ravels.
Regisseur Tobias Rikitzki verwandelte die Bühne des Uhrenladens dann in Puccinis „Gianni Schicchi“in einen großen Wohnraum, ebenfalls mit Standuhr, aus welchem ein rundes Fenster die Silhouette von Florenz zeigte. Donato Di Stefano sang und spielte bei dieser Opernpremiere die Hauptfigur des alle betrügenden Gianni Schicchi mit enormem Witz und gekonnter Komik.
Es war ein absolutes Vergnügen, seine sich wandelnde, bestimmte Personen imitierende Stimme zu erleben. Bevor der eigentliche Betrug initiiert werden konnte, musste ihn Tochter Lauretta zunächst überzeugen.
Farbenfrohe Momente
Mit ihrer Arie „O mio babbino caro“, hinreißend gesungen von Martyna Cymerman, gelang dies. Zu den zarten Klängen von Streichern und Harfe entfaltete sich ihre geschmeidig geführte Sopranstimme. Alle weiteren Protagonisten spiegelten in ihrem Verhalten diese Ambivalenz nicht ehrlich gemeinter Gefühle wider. Dazu war das gesamte Solistenensemble fast durchgängig auf der Bühne. Farbenfrohe Momente, zahlreiche detaillierte Nuancen und eine packende Gruppenwirkung machten diese einstündige Oper zu einem echten Sehund Hörvergnügen. Das Staatsorchester fesselte unter Hendrik Vestmann mit konzentriert dargebotener, klangvoller Musik. Diese rundum gelungene Opernpremiere zeigt einmal mehr, wie viel Spielfreude, Ausdruckswille und künstlerisches Profil sich auch während der Pandemie auf der Bühne entfalten kann.