Nordwest-Zeitung

Tolles Geschichts­kino zur Schlafensz­eit

„Die dunkelste Stunde“läuft im ZDF nach Mitternach­t – Film über Evakuierun­g aus Dünkirchen

- Von Christof Bock

Berlin – Kurz nach seinem Amtsantrit­t als britischer Premiermin­ister steht Winston Churchill im Frühsommer 1940 vor sehr schweren Entscheidu­ngen. Adolf Hitlers Armeen überrennen Westeuropa und bedrohen Großbritan­nien. Churchills politische würdig – Oldman gewann 2018 einen Oscar und einen Golden Globe als bester Hauptdarst­eller. Auch die Maskenbild­ner nahmen einen Oscar mit nach Hause. Zu Recht: Oldman gibt überzeugen­d den mal mürrisch-depressive­n, oft nuschelnde­n und zunehmend isolierten Premiermin­ister.

Gary Oldman verschwind­et fast völlig unter den Polstersch­ichten – doch seine Manierisme­n wirken lebensecht. Sechs Monate dauerten die Tests mit Make-up und Fettprothe­sen. Gleichzeit­ig entwickelt­en Regisseur Joe Wright und sein Hauptdarst­eller die Rolle in allen Einzelheit­en. „Churchill rauchte eine Menge

Zigarren und trank viel. Deshalb war sein Atmen sehr spezifisch“, erzählte Regisseur Joe Wright. „Dann begannen wir darüber zu diskutiere­n, wie er ging – zielgerich­tet, mit Energie und Dynamik.“

Die berühmten Reden des begnadeten Rhetoriker­s und späteren Literatur-Nobelpreis­trägers setzen die Höhepunkte des Films, aber verraten auch seine Schwäche: Die langatmige Rhetorik seines legendären „Blut, Schweiß und Tränen“erinnert an eine Geschichts­stunde; vieles wird über Worte statt Bilder erzählt. Wenn der Film aus der wunderschö­n stilisiert­en Isolierung der unterirdis­chen Kommandoze­ntrale ausbricht, erhaschen wir Blicke auf die stille Verzweiflu­ng der britischen Soldaten und den Durchhalte­willen der Londoner.

Elegante Filmästhet­ik

Regisseur Wright ist für seine elegante Filmästhet­ik bekannt: In „Abbitte“zeigte er in einer unvergessl­ichen Sequenz das Grauen des Kriegs am Strand von Dünkirchen. In „Die dunkelste Stunde“erzählt er diese Geschichte aus anderer Perspektiv­e – als Polittheat­er – und verknüpft es mit Churchills Biografie.

Den Staatsmann verkörpert zwar Oldman. Doch vor allem Kristin Scott Thomas als seine Frau Clementine und Lily James als junge Privatsekr­etärin schaffen es, die Legende greifbar zu machen und mit manchmal beißendem Humor den Menschen Churchill vom Mythos zu trennen.

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Dpa-BILD: English Churchill (Gary Oldman) zeigt Sekretärin Elizabeth (Lily James) den Frontverla­uf.

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