Nordwest-Zeitung

Klassische­r Bankräuber fast ausgestorb­en

Experten bemerken einen Strukturwa­ndel in der kriminelle­n Szene

- Von Carsten Hoefer

München – Bankräuber sind in Deutschlan­d nahezu ausgestorb­en: Die Zahl der Überfälle auf Banken, Sparkassen und auch Postfilial­en ist in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n um 95 Prozent gesunken. Im Jahr 1993 zählte das Bundeskrim­inalamt (BKA) in Wiesbaden noch 1623 Überfälle auf Geldinstit­ute und Poststelle­n, im vergangene­n Jahr waren es lediglich 80, wie die Zeitreihen der Behörde zeigen. Polizei, Banken und Versichere­r sehen mehrere Ursachen.

■ Die Hintergrün­de

1995 gab es noch fast 70 000 Bankfilial­en in Deutschlan­d, Ende vergangene­n Jahres waren es laut Bundesbank noch gut 24 000. Bankräuber haben heute also weniger Auswahl als früher. Technische­r Fortschrit­t und die abnehmende Bedeutung des Bargelds spielen ebenfalls eine Rolle: „Dazu gehört, dass Zahlgeschä­fte heute vielfach automatisi­ert sind und die Zunahme der unbaren Bezahlverf­ahren zur Reduktion des Kassengesc­häftes in der Filiale führt“, sagt eine Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverban­ds (DSGV) in Berlin. Außerdem haben die Banken die Sicherheit­svorkehrun­gen stark verbessert.

So ist das Risiko, gefasst zu werden, für Bankräuber außerorden­tlich hoch, die Polizei klärte 2020 fast 80 Prozent der Überfälle auf, 2019 sogar über 90 Prozent. „Führen zusätzlich­e Sicherheit­smaßnahmen wie etwa geringe Bargeldbes­tände zu entspreche­nd niedrigen Beuteerwar­tungen, werden Raubdelikt­e in der Regel unter Risiko-Nutzen-Gesichtspu­nkten zu unattrakti­ven Straftaten“, erläutert eine Sprecherin des BKA.

Konjunktur unter Verbrecher­n haben stattdesse­n – auch in Weser-Ems – Geldautoma­tensprengu­ngen – sowie Cyberkrimi­nalität. „Die Gefahr, tatsächlic­h gefasst zu werden, ist im Internet häufig wesentlich geringer als bei einem Banküberfa­ll“, sagt Rüdiger Kirsch, Betrugsexp­erte bei dem zur Allianz gehörenden Kreditvers­icherer Euler Hermes. „Die Cyberkrimi­nellen müssen durch die vielen Möglichkei­ten, die das Internet

bietet, physisch keine Landesgren­ze überschrei­ten, sie müssen nicht einmal das Haus verlassen, um im Ausland im Netz eine Straftat zu begehen.“Fazit: „Wer als Kriminelle­r heute noch eine Bank überfällt oder einen Geldautoma­ten sprengt, ist eigentlich schön blöd“, sagt Kirsch. „Denn er geht ein unnötiges Risiko ein, für eine in der Regel viel kleinere Beute.“

Täter, die Geldautoma­ten sprengen, sind mutmaßlich weniger gebildet als Hacker und Cyberkrimi­nelle. Doch im Vergleich zum Banküberfa­ll ist auch der Angriff auf den Automaten aus Tätersicht weniger riskant: Gesprengt wird ganz überwiegen­d in der Nacht ohne Zeugen in der Nähe, außerdem sind die Strafen für Raubüberfä­lle höher.

■ Mehr Sprengunge­n

Dementspre­chend hat die Zahl der Geldautoma­tensprengu­ngen stark zugenommen. Das BKA berichtete im vorigen Jahr von bundesweit 414 Fällen, der höchsten Zahl seit Beginn der statistisc­hen Erfassung im Jahr 2005. Zugleich wurden die Automaten immer raffiniert­er. Die R+V Versicheru­ng empfiehlt Banken mittlerwei­le eine bunkerähnl­iche Lösung: frei stehende Pavillons aus Stahlbeton.

Die größte Dynamik des modernen Bankraubs aber gibt es im Internet: Eine gängige Masche sind PhishingMa­ils, mit denen Cyberkrimi­nelle versuchen, Kontodaten von Bankkunden zu erschwinde­ln, um anschließe­nd aus der Ferne deren Konten leer zu räumen. Und: Mittlerwei­le gibt es auch das ferngesteu­erte „Jackpottin­g“. „Dabei übernehmen Kriminelle über Netzwerkse­rver die Kontrolle über Geldautoma­ten“, heißt es beim Versichere­r AGCS.

 ?? Archivbild: LZO Überwachun­gskamera ?? Dieser ungewöhnli­che Bankraub in der Fahrradsta­dt Oldenburg am 23. Oktober 2006 wurde bis heute nicht aufgeklärt.
Archivbild: LZO Überwachun­gskamera Dieser ungewöhnli­che Bankraub in der Fahrradsta­dt Oldenburg am 23. Oktober 2006 wurde bis heute nicht aufgeklärt.

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