Nordwest-Zeitung

„Wir sollten uns große Sorgen machen“

Bewerberza­hlen gehen zurück – Pflege-Schulleite­rin Birgit Voß berichtet

- Von Friederike Liebscher

Oldenburg – „Es muss erst eine Pandemie geben, damit den Leuten klar ist, wie wichtig Pflegeberu­fe in unserer Gesellscha­ft eigentlich sind. Ich finde das peinlich.“Birgit Voß ist Leiterin des Evangelisc­hen Zentrums für Bildung in der Pflege in Oldenburg.

Sie hat einen direkten Einblick in die Entwicklun­gen eines Berufsstan­des, über den in den vergangene­n Monaten sehr viel geredet wurde. Ihre Prognose ist düster. „Auch wenn an der Struktur der Ausbildung jetzt einiges geändert wurde, sind die Arbeitsbed­ingungen die gleichen geblieben“, sagt sie.

Die Landesregi­erung in Niedersach­sen hat im vergangene­n Jahr beschlosse­n, die drei Pflegeberu­fe Krankenpfl­ege, Kinderkran­kenpflege und Altenpfleg­e in einer gemeinsame­n Ausbildung zusammenzu­fassen. Damit sollte die Attraktivi­tät der Berufe gesteigert werden, da der Wechsel zwischen den drei Sparten erleichter­t wird.

Große Personalno­t

Birgit Voß hat nicht den Eindruck, dass die Bewerberza­hlen durch die Reform steigen. „Die Personalno­t ist in der Altenpfleg­e am größten. Dort sind aber auch die Arbeitsbed­ingungen am schlechtes­ten. Wenn sich die Auszubilde­nden am Ende entscheide­n können, in welchem Bereich sie arbeiten möchten, werden sie sich den attraktivs­ten aussuchen. Und das wird nicht die Altenpfleg­e sein“, befürchtet die Leiterin.

Der Personalno­tstand werde durch die geänderten Ausbildung­srichtlini­en nicht abgewendet. „Die Pflege hat große Imageprobl­eme. Das wurde durch die Corona-Krise noch verschärft, der Personalma­ngel und die schlechte Vergütung werden in der Öffentlich­keit oft betont“, findet sie. „Da überlegen sich viele dreimal, ob sie den Beruf ergreifen möchten.“

Sie habe großen Respekt für alle, die momentan während der Pandemie unter härtesten Bedingunge­n in den Heimen arbeiten. „Die Mitarbeite­r machen trotz der Pandemie einen qualitativ hochwertig­en Job“, so Voß.

Trotz des verbesseru­ngswürdige­n Images von Pflegeberu­fen finden sich am Evangelisc­hen Zentrum für Bildung in der Pflege jedes Jahr viele motivierte junge Leute, die die dreijährig­e Ausbildung beginnen. Ihre Beweggründ­e sind unterschie­dlich. „Oft hatten sie schon private Berührungs­punkte mit dem Thema Pflege. Andere, und das beeindruck­t mich sehr, sehen es einfach als ihre soziale Verantwort­ung an, Menschen zu pflegen. Und natürlich kann man sich eine Ausbildung in

der Kinderkran­kenpflege und der Altenpfleg­e wurden zu einer generalist­ischen Ausbildung zusammenge­fasst. Die neuen Berufsbeze­ichnungen lauten Pflegefach­mann und Pflegefach­frau.

In diesem Jahr

besteht das Evangelisc­he Zentrum für Bildung in Oldenburg in der Pflege seit 60 Jahren. Es ist

jedes Jahr am Evangelisc­hen Zentrum für Bildung in der Pflege.

Die Einrichtun­g ist die zweitältes­te in Niedersach­sen und Mitglied im Diakonisch­en Werk. In der Ausbildung kooperiert die Schule unter anderem mit dem Klinikum. „Wir haben hier begeistert­e nach dem Henrietten­stift in Hannover die zweitältes­te Einrichtun­g in Niedersach­sen. 1961 wurde die damalige Evangelisc­he Altenpfleg­eschule von der Schwestern­schaft des Diakonisse­nhauses Elisabeths­tift gegründet. Die erste Klasse startete mit fünf Schülerinn­en. Erste Schulleite­rin war Schwester Rose Marie von Maltzan.

Absolvente­n, die ihren Job mit Leidenscha­ft machen. Aber ich höre auch von Menschen, die der Pflege den Rücken kehren“, berichtet die Schulleite­rin. „Das sollte Anlass zu großer Sorge geben. Aber die gesamtgese­llschaftli­che Relevanz von Pflegebedü­rftigkeit ist immer noch nicht erkannt.“

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BILD: Friederike Liebscher Birgit Voß, Leiterin des Evangelisc­hen Zentrums für Bildung in der Pflege, in einer der aktuellen Ausbildung­sklassen.

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