Welche neuen Koalitionen denkbar sind
Nach den Umfragen ist am ehesten mit Schwarz/Grün oder Jamaika zu rechnen
Berlin – Deutschland steuert auf eine der spannendsten Bundestagswahlen zu. Denn erstmals hat eine Kanzlerin angekündigt, nicht nochmals anzutreten. Es gibt keinen Amtsbonus mehr für die Union. Und die SPD will nicht mehr in eine Große Koalition. Neue Bündnisse sind wahrscheinlich. Ein Farbenspiel der möglichen Konstellationen:
■ Schwarz-Grün
Eine Koalition aus CDU/CSU und Grünen hätte nach den Umfragen der vergangenen Monate eine stabile Mehrheit. Die Grünen würden dieses Bündnis freilich nur eingehen, wenn sie nicht mit einem anderen Bündnis die Kanzlerin stellen könnten. Mit CSU-Chef Markus Söder, ein Fan von Schwarz/Grün, als Kanzlerkandidat hätten die Grünen ein leichteres Spiel gehabt als mit CDU-Kandidat Armin Laschet, der in Nordrhein-Westfalen mit der FDP regiert. GrünenChef Robert Habeck spekuliert auf das Finanzministerium. Co-Chefin Annalena Baerbock könnte sich wegen ihrer Patzer im Wahlkampf die Chancen auf ein Ministeramt verbauen. „Die Union setzt sich derzeit immer stärker ab. Es sieht so aus, als werde es ohne sie keine Regierung geben. Stand heute ist am ehesten mit Schwarz/Grün oder Jamaika nach der Wahl zu rechnen“, sagt Manfred Güllner, Chef des Berliner Meinungsforschungsinstituts Forsa. „Schwarz/Grün erreicht seit März stabil etwa 49 Prozent“, ergänzt der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker.
■ Jamaika
Reicht es nicht für Schwarz/ Grün, würde sich Laschet freuen, die FDP mit ins Boot zu holen. Von allen vier beteiligten Parteien würde das Bündnis in den Farben der jamaikanischen Flagge gewollt. FDPChef Christian Lindner hatte es 2017 platzen lassen, das würde er jetzt nicht tun. Damals fühlte sich die FDP nur als Mehrheitsbeschafferin benutzt. Den Fehler bei den Verhandlungen dürfte Laschet nicht wiederholen. Wenn sich die Verhandler ein Beispiel an der Kieler Jamaika-Koalition nehmen, kommen sie schnell zusammen.
■ Schwarz-Gelb
Nicht völlig ausgeschlossen. Wenn die Linke haarscharf an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, dann müssen Union und FDP nur noch wenige Prozentpunkte zulegen, um die Mehrheit zu erringen. An die letzte Schwarz/Gelb-Kombination im Bund haben beide Seiten aber schlechte Erinnerungen. Allerdings funktioniert die Neuauflage in Düsseldorf zur größten Zufriedenheit. Problem: Die Grünen würden im Bundesrat fast jedes Gesetz blockieren können.
■ Ampelkoalition
Die einzige wirklich realistische alternative Machtoption für Grünen-Kandidatin Baerbock oder SPD-Kandidat Olaf Scholz, ins Kanzleramt zu kommen, wäre ein Bündnis aus Grünen, SPD und FDP. Wegen der Fehler Baerbocks schwinden allerdings die Chancen der Ampel auf eine Mehrheit. Lindner hat sie zudem ausgeschlossen. Die FDP müsste ja den Konkurrenten von den Grünen und die Politik der SPD akzeptieren. Andererseits: Wenn FDP-Chef Lindner nur mit einer Ampel in die Regierung kommen kann, würde er wohl auch diesen in Rheinland-Pfalz bereits beschrittenen Weg gehen. Die SPD würde die Ampel mitmachen, weil Scholz so die Chance hätte, Finanzminister zu bleiben.
■ Deutschland-Koalition
Sachsen-Anhalt könnte kurz vor den Bundestagswahlen einen Schub in diese Richtung bedeuten, wenn die CDU dort mit SPD und FDP koaliert. Doch im Bund will die SPD nicht mehr mit der CDU, die CDU nicht mehr mit der SPD, die FDP nicht mit der SPD. Also drei von drei Absagen – das macht ein Bündnis in den Farben der Deutschland-Fahne sehr unwahrscheinlich.