Längere Abstände zwischen Impfungen nicht schlimm
Virologe Hamprecht empfiehlt bei Biontech sechs Wochen Wartezeit und bei Astrazeneca zwölf
Der Abstand zwischen zwei Corona-Impfungen ist mal kürzer, mal länger. Welcher Zeitpunkt ist für die Zweitimpfung ideal? Prof. Hamprecht: Das hängt vom Impfstoff ab, generell geht der Trend aufgrund der Erfahrungen in Richtung längerer Abstand. Bei den mRNAImpfstoffen von Biontech/ Moderna sind sechs Wochen Abstand sinnvoll, bei Astrazeneca sind es zwölf Wochen. Es ist aber nicht schlimm, wenn etwas mehr Zeit vergeht. Zwar nimmt etwa fünf bis acht Wochen nach der Erstimpfung der Impfschutz langsam ab, das heißt, man ist dann etwas weniger geschützt. Aber wenn dann eine Zweitimpfung folgt, ist nach zwei Wochen der volle Impfschutz gegeben.
Sind Kreuzimpfungen sinnvoll, also die Verwendung von zwei verschiedenen Impfstoffen für die beiden Impftermine? Hamprecht: Es gibt inzwischen erste Daten über die Verwendung von Astrazeneca beim ersten und Biontech beim zweiten Impftermin. Danach gibt es eine sehr gute Immunantwort bei dieser Kombination – ähnlich gut oder leicht besser, als wenn man zweimal den gleichen Impfstoff bekommt. Das ist eine gute Nachricht für alle, die aufgrund der geänderten Impfempfehlung beim zweiten Mal nicht ein weiteres Mal mit Astrazeneca geimpft wurden. Was allerdings bei kürzeren Impfabständen in dieser Kombination beobachtet wurde, sind etwas ausgeprägtere Impfreaktionen wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Müdigkeit.
Wie ist Ihre Meinung in der Diskussion über eine Impfempfehlung für Jugendliche? Hamprecht: Aktuell haben wir weiterhin zu wenig Impfstoff zur Verfügung; deshalb steht die Frage nicht im Vordergrund. Da junge Leute ein geringeres Risiko für einen schwereren Verlauf haben, bin ich dafür, mit dem vorhandenen Impfstoff vorrangig die Menschen mit höherem Risiko zu schützen – also vorrangig Ältere. Die Ständige Impfkommission empfiehlt, dass derzeit nicht alle, sondern nur Jugendliche mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf geimpft werden sollten, also zum Beispiel mit schweren Vorerkrankungen. Nach individueller Risikoaufklärung ist aber eine Impfung auch bei anderen Gruppen möglich. Die bisherigen Daten zeigen auch bei Jugendlichen eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Ich rechne damit, dass im Herbst – wenn mehr Daten vorliegen und es mehr Impfstoff gibt – ähnlich wie in anderen Ländern auch Jugendliche vermehrt geimpft werden können.
Wie zufrieden sind Sie derzeit mit dem Verlauf der Impfkampagne? Hamprecht: Insgesamt hätte vieles besser laufen können. Deutschland steht zwar im europäischen Vergleich recht gut da. Kein Verständnis habe ich dafür, dass am Anfang Impfstoff weggeworfen wurde, weil die Genehmigung fehlte, alle Dosen aus einer Packung zu ziehen, die möglich sind. Deutschland insgesamt und insbesondere Niedersachsen haben sich zudem durch eine überbordende Bürokratie bei der Organisation der Impfungen hervorgetan. Unglücklich war auch der Umgang mit Astrazeneca. Erst wurde der Impfstoff nicht für Ältere zugelassen, dann nur für Ältere. Die Diskussion hat der Akzeptanz dieses eigentlich guten Vakzins geschadet. Was mich in Deutschland stört, ist auch die Anspruchshaltung, sich den Impfstoff aussuchen zu wollen. Wenn Über-60-Jährige sagen, sie wollen Astrazeneca nicht, sondern Biontech oder Moderna, dann werden sie zum Teil damit geimpft. Diese Impfdosis fehlt aber einem Jüngeren, für den Astrazeneca nicht empfohlen wird. Hier fehlt mir die Solidarität in der Gesellschaft. Das hätte man ähnlich wie in anderen Ländern klarer regeln sollen. Wer Astrazeneca trotz ärztlicher Empfehlung nicht nehmen will, der sollte sich in der Impfreihenfolge wieder hinten anstellen. Wir können die Pandemie nur besiegen, wenn möglichst viele Personen möglichst schnell einen Impfschutz erhalten. Pandemie ist kein Wunschkonzert.