Auf Spritze folgt Akte
Das war kaum anders zu erwarten: Während der Pandemie haben die Privathaushalte deutlich mehr Müll verursacht. Die eingesammelte Menge von Plastik, anderen Leichtverpackungen sowie Glas stieg 2020 um jeweils sechs Prozent, wie eine Umfrage des Bundesverbandes der Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft unter den Mitgliedsfirmen ergab. Der Grund ist klar: Weil die Gastronomie geschlossen ist, werden mehr Menüs in Wegwerf-Verpackungen ausgeliefert. Auch die Glascontainer füllen sich öfter als in Vor-Corona-Zeiten.
Ein Gerücht ist dagegen, dass auch Impfampullen im Müll landen. Im Gegenteil: Nach Angaben des Sozialministeriums zieht die Impfkampagne deutlich an. In dieser Woche wurde erstmals die Marke von 30000 Impfungen pro Tag überschritten. Von einem Arbeitstag im Impfzentrum bleibt nicht nur Klinikmüll, sondern vor allem ein Berg mit Akten.
Die deutsche Bürokratie feiert beim Impfen fröhliche Urständ: Bis zu acht Seiten muss jeder Impfling ausfüllen, wie Matthias Vonnemann, ärztlicher Leiter des Impfzentrums in Hannover, berichtet. Am Schluss des Impfvorgangs werde der ganze Stapel mit Dokumenten abgeheftet. Allein in Hannover fallen derzeit bis zu 35 Ordner pro Tag an.
Werden die Impfkapazitäten ausgeweitet, könnten es locker 50 am Tag werden, ahnt Hannovers Regionspräsident Hauke Jagau (SPD).
Entsprechend der rechtlichen Vorgaben müssen die Aktenordner für die Zweitimpfung nach acht bis zwölf Wochen griffbereit verwahrt werden. Doch auch danach landen die Papiere keineswegs im Reißwolf, sondern müssen zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Für die Lagerung der Akten hat das Impfzentrum jetzt Überseecontainer angemietet. Vier stehen bereits auf dem Messegelände, wie ein Sprecher der Region Hannover bestätigte. Eine Digitalisierung wäre zwar möglich. Aber das Land sieht ausdrücklich eine analoge Archivierung vor.
Kopfschütteln selbst bei den Hausärzten. Das ganze Prozedere sei im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß, sagt Matthias Berndt, Landesvorsitzender des Hausärzteverbandes. Die Sorge, dass Hausärzte erst dann in die Impfkampagne einsteigen können, wenn ein Container vor der Praxis steht, kann das Land den Medizinern aber nehmen. Es sei für die Hausärzte, die impfen wollen, eine eigene Software geschrieben worden. Nun warten alle Beteiligten, ob sie funktioniert.