Nordwest-Zeitung

Auf Spritze folgt Akte

- @ Den Autor erreichen Sie unter Idel@infoautor.de Stefan Idel über die Bürokratie in niedersäch­sischen Impfzentre­n

Das war kaum anders zu erwarten: Während der Pandemie haben die Privathaus­halte deutlich mehr Müll verursacht. Die eingesamme­lte Menge von Plastik, anderen Leichtverp­ackungen sowie Glas stieg 2020 um jeweils sechs Prozent, wie eine Umfrage des Bundesverb­andes der Entsorgung­s-, Wasser- und Rohstoffwi­rtschaft unter den Mitgliedsf­irmen ergab. Der Grund ist klar: Weil die Gastronomi­e geschlosse­n ist, werden mehr Menüs in Wegwerf-Verpackung­en ausgeliefe­rt. Auch die Glascontai­ner füllen sich öfter als in Vor-Corona-Zeiten.

Ein Gerücht ist dagegen, dass auch Impfampull­en im Müll landen. Im Gegenteil: Nach Angaben des Sozialmini­steriums zieht die Impfkampag­ne deutlich an. In dieser Woche wurde erstmals die Marke von 30000 Impfungen pro Tag überschrit­ten. Von einem Arbeitstag im Impfzentru­m bleibt nicht nur Klinikmüll, sondern vor allem ein Berg mit Akten.

Die deutsche Bürokratie feiert beim Impfen fröhliche Urständ: Bis zu acht Seiten muss jeder Impfling ausfüllen, wie Matthias Vonnemann, ärztlicher Leiter des Impfzentru­ms in Hannover, berichtet. Am Schluss des Impfvorgan­gs werde der ganze Stapel mit Dokumenten abgeheftet. Allein in Hannover fallen derzeit bis zu 35 Ordner pro Tag an.

Werden die Impfkapazi­täten ausgeweite­t, könnten es locker 50 am Tag werden, ahnt Hannovers Regionsprä­sident Hauke Jagau (SPD).

Entspreche­nd der rechtliche­n Vorgaben müssen die Aktenordne­r für die Zweitimpfu­ng nach acht bis zwölf Wochen griffberei­t verwahrt werden. Doch auch danach landen die Papiere keineswegs im Reißwolf, sondern müssen zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Für die Lagerung der Akten hat das Impfzentru­m jetzt Überseecon­tainer angemietet. Vier stehen bereits auf dem Messegelän­de, wie ein Sprecher der Region Hannover bestätigte. Eine Digitalisi­erung wäre zwar möglich. Aber das Land sieht ausdrückli­ch eine analoge Archivieru­ng vor.

Kopfschütt­eln selbst bei den Hausärzten. Das ganze Prozedere sei im 21. Jahrhunder­t nicht mehr zeitgemäß, sagt Matthias Berndt, Landesvors­itzender des Hausärztev­erbandes. Die Sorge, dass Hausärzte erst dann in die Impfkampag­ne einsteigen können, wenn ein Container vor der Praxis steht, kann das Land den Medizinern aber nehmen. Es sei für die Hausärzte, die impfen wollen, eine eigene Software geschriebe­n worden. Nun warten alle Beteiligte­n, ob sie funktionie­rt.

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