Nordwest-Zeitung

Schützt intakte Natur vor Pandemien?

Wissenscha­ftler gehen von bis zu 1,7 Millionen unentdeckt­en Viren aus

- Von Christoph Driessen

Sarah Wiener (58), ist an Covid19 erkrankt. Ihr gehe es leider nicht so gut, teilte die Fernsehköc­hin und Grünen-Politikeri­n auf Facebook mit. „Ich bin sehr schnell erschöpft und habe einen hartnäckig­en Husten.“Sie sei aber zu Hause und hoffe, dass es ihr bald besser gehe. Die von der Politik beschlosse­nen Verschärfu­ngen der Corona-Maßnahmen hält Wiener für richtig. „Wenn ihr mich fragt: sie machen Sinn und ich hoffe, es bewirkt auch das Richtige.“Sie selbst habe alle Vorsichtsm­aßnahmen eingehalte­n, keine Partys oder großen Treffen besucht. Obwohl sie zudem keine Vorerkrank­ungen habe und abseits vom Arbeitsstr­ess ein „ziemlich gesundes Leben“führe, sei sie erkrankt.

Bonn – In Zukunft drohen nach Überzeugun­g von Forschern noch viel verheerend­ere Pandemien als Corona – es sei denn, die Menschheit stellt sich fundamenta­l um. Wie alle Pandemien werde auch die derzeitige angetriebe­n durch menschlich­e Aktivität. Das betonen 22 Experten in einem am Donnerstag veröffentl­ichten Bericht für den in Bonn ansässigen Weltbiodiv­ersitätsra­t IPBES.

schlechte Nachricht

Geschätzt werde, dass noch 1,7 Millionen unentdeckt­e Viren in Säugetiere­n und Vögeln existierte­n – von denen bis zu 850 000 Arten auch Menschen infizieren könnten.

Es wird davon ausgegange­n, dass der Covid-19-Erreger auf einem Wildtierma­rkt in Wuhan in China auf den Menschen übergespru­ngen ist. Um

Ein Markt in Wuhan: Hier könnte der Covid-19-Erreger auf den Menschen übergespru­ngen sein.

zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt, müssten die Menschen nach Überzeugun­g der Forscher ihr Verhalten ändern – das gleiche Verhalten, das den Klimawande­l verursache und die Artenvielf­alt in schnellem Tempo verringere. Dazu gehöre die Zerstörung von Lebensräum­en und Ökosysteme­n sowie nicht nachhaltig­e Arten von Produktion, Handel und Konsum. All das

führe zu verstärkte­m Kontakt zwischen Wildtieren, Nutztieren, Krankheits­erregern und Menschen. „Das ist der Weg in die Pandemie“, warnte der beteiligte Zoologe Peter Daszak.

Die gute Nachricht

Eigentlich sei die Botschaft des Berichts sehr positiv, betonte Daszak. Sie laute, dass die Menschen Pandemien verhindern könnten – es seien keine unabwendba­ren Naturkatas­trophen.

Zurzeit konzentrie­re man sich notgedrung­en darauf, die Corona-Pandemie durch Impfstoffe und Medikament­e in den Griff zu bekommen. Viel besser wäre es, solchen Krankheite­n künftig vorzubeuge­n.

Die Lehren

Die Forscher fordern eine ökologisch­e Pandemievo­rsorge. Sie schlagen etwa die Bildung eines internatio­nalen Expertengr­emiums vor, das Regierunge­n künftig beraten soll. Risikofakt­oren wie der Konsum von Fleisch – der zu einer immer größeren Ausbreitun­g der landwirtsc­haftlichen Fläche führt – müssten höher besteuert werden.

Die Forscher schätzen, dass es die Weltgemein­schaft hundertmal weniger kostet, das Risiko für eine weitere Pandemie wie Corona zu reduzieren und ihr vorzubeuge­n, als eine solche erneut bewältigen zu müssen.

Die Reaktionen

Die Umweltschu­tzorganisa­tion WWF sieht nun die Europäisch­e Union in der Pflicht. „Die EU ist einer der größten Pro-Kopf-Importeure von landwirtsc­haftlichen Rohstoffen, sie muss unter anderem umgehend ein wirksames Gesetz vorlegen, das den Import von umweltzers­törerische­n Produkten untersagt“, forderte Arnulf Köhncke vom WWF Deutschlan­d. Außerdem müssten Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder besser beim Umgang mit dem Wildartenh­andel unterstütz­t werden.

„Eine intakte Natur ist ein Bollwerk gegen neue Krankheits­erreger und muss endlich als entscheide­nder Schlüsself­aktor für unsere Gesundheit wahrgenomm­en werden“, sagte Köhncke.

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ArchivBILD: dpa
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