70 Tumore und Streit mit der Kasse
Gerda Köller musste vor der benötigten Operation erst das Sozialgericht bemühen
Oldenburg – „Es gibt andere Frauen, die einen ähnlichen Weg vor sich haben. Und denen will ich Mut machen.“Gerda Köhler hat eine Krankheitsgeschichte hinter sich, die in dieser Form zwar außergewöhnlich ist, die aber auch andere treffen kann. Und deshalb schweigt sie auch bei einem Thema nicht, das für viele noch immer tabu ist.
„Wenn man über 70 MiniTumore in den Brüsten hat und immer wieder die Diagnose hört, dass die Gefahr besteht, dass aus den kleinen Tumoren bösartiger Krebs wird, verändert das das Leben“, sagt die 44-Jährige. Ihre Erkrankung: eine ausgeprägte Milchgangs-Papillomatose.
Gang vors Gericht
Das Problem: Ihre Krankenkasse lehnte eine vorbeugende Entfernung der Brustdrüsen ab – obwohl dies von medizinischer Seite als notwendig anerkannt worden war: Die 70 kleinen Brusttumore bedeuteten ein sich vergrößerndes Brustkrebsrisiko, hatten ihre Ärzte argumentiert.
Köllers Leidensweg begann im Herbst 2017: Eine turnusmäßige Mammografie erbrachte einen auffälligen Befund. Aus der anfänglichen Diagnose – gutartige Tumore im Drüsengewebe – entwickelte sich eine bis dahin unbekannte Krankheit der Brust. Die Folgen: Flüssigkeitsabsonderung und Schmerzen. Eine am Brustzentrum Kreyenbrück vorgenommene Röntgenuntersuchung der Milchgänge erbrachte eine Diagnose. „Wir haben über 70 Tumore gezählt, das habe ich noch nie gesehen“, habe ihr der Arzt gesagt, erinnert sich Köller.
Es folgte die erste Operation, um die Tumore zu entfernen. Doch die Blutungen hielten an. „Da hatte ich zum ersten Mal Angst, dass daraus Karzinome werden könnten“. Wenn die Papillome den Milchgang durchbrechen, können sie entarten. Es folgten zahlreiche Stanzbiopsien, Untersuchungen, Besprechungen
– und immer wieder das Warten auf Ergebnisse. Dann entschieden Köller und ihre Ärzte, die Brüste zu entfernen.
Verständnisvolle Richterin
„Es war das Stadium der Unkontrollierbarkeit erreicht, es bedeutete für mich eine dauerhafte Angst.“Für Köller waren brusterhaltende Maßnahmen keine Lösung.
Doch die Kasse wollte die vorbeugende OP nicht bezahlen. So blieb nur der Gang vor das Sozialgericht. Unterstützung erhielt sie vom Sozialverband SoVD. Und die 44-Jährige ist „froh, dass mich die Richterin in meiner physischen und psychischen Lage verstanden hat“. Vor allem ein Satz der Richterin ist ihr im Gedächtnis geblieben: „Die Zumutbarkeit ist lange überschritten.“Denn jeder weitere Eingriff war für die Frau, die seit einem
Arbeitsunfall seit 2014 im Rollstuhl sitzt, extrem belastend. Sie hatte auch Angst, den gerade gefundenen Arbeitsplatz zu verlieren.
All diese Ängste sind seit einer erfolgreichen Operation Ende Juli, bei der beide Brüste entfernt wurden, weg. Zwar war die Krankenkasse auch vom Spruch des Gerichts zunächst nicht überzeugt, hat später einer Kostenübernahme aber doch zugestimmt.