Kino-Branche sieht sich im falschen Film
Laut Umfrage befürchtet die Hälfte der Betreiber Existenznot – Mehr Finanzhilfe gefordert
Noch haben Niedersachsens Kinos wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Doch würde eine Öffnung überhaupt Erleichterung bringen?
IM NORDWESTEN/BERLIN – Während die bayrische Landesregierung jüngst ein Hilfspaket in Höhe von 12 Millionen Euro für die Kinobetreiber angekündigt hat, sieht es im Nordwesten mau aus. „In Niedersachsen/Bremen sind wir gerade mal bei knapp über 100 000 Euro für alle Kinos durch die Nordmedia“, sagt Tobias Roßmann, Geschäftsführer des Casablanca-Kinos. Lediglich 3000 Euro hat das Traditionshaus am Oldenburger Pferdemarkt erhalten.
„Deutlich Luft nach oben“gibt es aus Roßmanns Sicht bei der finanziellen Hilfe für die Lichtspielhäuser. „Wenn es pro Ort ein Kino weniger gibt, oder in ländlichen Gebieten keins mehr, wird es mitunter ganz schön öde“, so die Befürchtung des 40-Jährigen. Um den Kinos über mehrere Monate zu helfen, benötige man fünfstellige Beträge für jedes Kino, so Roßmann. „Mit 3000 Euro kommt man nicht weit.“Laut einer Umfrage des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater sind über die Hälfte aller Kinobetriebe von einer Schließung bedroht, sollte der Betrieb bis Mitte Juni ruhen.
Allerdings wird der Betrieb mancherorts wieder aufgenommen. In Hessen sind die Säle seit Freitag, 15. Mai, geöffnet, Sachsen und SchleswigHolstein folgen am 18. Mai. Ein Termin für Niedersachsen steht bislang nicht fest. Vielerorts haben sich Vertreter der
Zunft nach Alternativen umgeschaut und mit den Autokinos, die vielerorts Wiederauferstehung feiern, eine Möglichkeit gefunden, den Filmfans einen Lichtblick zu bieten. Doch Roßmann sagt ganz klar: „Das ist kein Modell, um auf Dauer über die Runden oder jetzt durch die Krise zu kommen. Ob da Geld übrig bleibt, ist ungewiss.“Vielmehr handele es sich um eine Geste dem Publikum gegenüber.
Auch der Präsident der deutschen Filmakademie, Ulrich Matthes, befürchtet durch die Corona-Krise ein großes Kinosterben in Deutschland.
Matthes forderte von Spitzenpolitikern in der Bundesregierung, wie Finanzminister Olaf Scholz oder Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ein Bekenntnis zu Hilfsmaßnahmen für die Kultur. Das sollte nicht nur Kulturstaatsministerin Monika Grütters überlassen werden. Nötig sei ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass die Kultur mehr sei als ein „Zückerchen“, das man sich abends noch gönne.
Und selbst wenn es wieder in die Kinosessel geht, ist nicht klar, ob das die Rettung bedeutet. Darauf weist auch das Oldenburger Cine K in einem offenen Brief hin, welcher mit der Arbeitsgruppe Kino im Hauptverband Cinephilie formuliert wurde. Ein rentabler Betrieb werde durch die Abstands- und Hygienevorschriften nahezu unmöglich gemacht, heißt es dort.
Denn: Erforderliche Ordnerdienste oder bauliche Maßnahmen würden zusätzliche Kosten verursachen und je nach baulicher Begebenheit würden zwischen 70 und 85 Prozent der Sitzplätze entfallen. „Man muss sehen, ob bei den Regelungen nicht noch etwas Flexibilität möglich ist“, fordert Roßmann. Nicht nur die Schließungen, auch der Sonderbetrieb kann somit zur existenziellen Bedrohung werden. Auch wenn durch das Autokino in Wüsting, welches das Casablanca als Juniorpartner unterstützt, etwas Geld in die Kassen kommen sollte: Die Fixkosten laufen weiter. Sollte es eine weitere Finanzspritze geben, will Roßmann einen Teil des Geldes seinem Personal zukommen lassen. Bei einem Großteil der Beschäftigten im Casablanca handelt es sich um Minijobber und Studenten. „Für die gibt es kein Kurzarbeitergeld und keine Hilfen“, sagt Roßmann.