„Jahrhundert-Papst“vor 100 Jahren geboren
Eine Gruppe hartnäckiger Gegner, die gegen den Pontifex Opposition macht? Gerade haben sich wieder die Gegenspieler von Papst Franziskus in Stellung gebracht und mit einem offenen Brief die Corona-Maßnahmen kritisiert und somit auch wieder gegen ihren „Chef“gekeilt. So etwas hätte es unter Johannes Paul II., der 2005 starb, nicht gegeben. Daran erinnert man sich in diesen Tagen.
Unter dem Polen Karol Wojtyla war die katholische Kirche sich mehr einig – zumindest nach außen. Diesen Montag wäre er 100 Jahre alt geworden. Wie würde er auf die Kämpfe im Vatikan schauen, auf die Debatten zwischen „Konservativen“und „Reformern“, die die katholische Kirche förmlich zerreißen?
„Vor Franziskus erlaubte es sich die Opposition nicht, einen regierenden Pontifex so offen und heftig anzugreifen. Die Kirche war kompakter, der Vatikan ähnelte der Sowjetunion, Konflikte fanden nicht in der Öffentlichkeit statt“, sagte Iacopo Scaramuzzi, der seit Jahren aus Rom über den Vatikan schreibt.
Johannes Paul II. war nur 58 Jahre, als er 1978 den Stuhl Petri erklomm. Er war der erste Nicht-Italiener seit 455 Jahren. Er hatte eine magische Anziehungskraft, Anhänger bewunderten ihn für sein Charisma. Er reiste unermüdlich um die Welt, 104 Auslandsreisen waren es während seines 26 Jahre langen Pontifikats. Und er trug zur Überwindung des Kommunismus in den Ostblock-Staaten bei.
In seiner Heimat Polen wird er verehrt. „Wir lieben dich!“, skandierte die Menschenmenge stundenlang bei Wojtylas letztem Besuch in Krakau im Sommer 2002. Der 100. Geburtstag wird in Polen denn auch mit vielen Veranstaltungen gewürdigt.
Doch seine Anziehungskraft täuschte über das hinweg, was unter ihm keine Beachtung fand. Abertausende Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche blieben unbeachtet. Sie sollten die Kirche später in ihre schwerste Krise stürzen. „Er nahm, so sehr er persönlich sexuelle Gewalt durch Priester verurteilte, das Thema einfach nicht ernst genug und sah weg, wo er hätte hinsehen müssen“, sagte Autor Matthias Drobinski, der zum 100. Geburtstag die Biografie „Johannes Paul II. Der Papst, der aus dem Osten kam“mit dem Osteuropa-Experten Thomas Urban veröffentlicht hat. So habe er seinen Nachfolgern ein schweres Erbe hinterlassen.