Nordwest-Zeitung

Zwischen Wow-Effekt und Warnungen

Leser geben Tipps zur Streckenfü­hrung und schildern Erlebnisse – Per Rad von Kirchhatte­n nach Oldenburg

- VON CHRISTOPH KIEFER

Lässt sich eine Strecke von rund 20 Kilometern mit dem Pedelec pendeln? Christoph Kiefer hat einen Selbstvers­uch gestartet – und kommt schon nach zwei Tagen ins Grübeln.

OLDENBURG/KIRCHHATTE­N – Eigentlich dürfte ein Fahrrad mit E-Motor nicht Fahrrad heißen. Denn das Fahrgefühl empfinde ich als so komplett anders, dass elektrisch unterstütz­te Räder einen eigenen Namen haben sollten.

Die erste Runde auf meinem E-Bike hat mich umgehauen. Ich habe noch nie vorher auf einem Rad mit Elektromot­or gesessen; und der Unterschie­d zu meinen bisherigen Raderfahru­ngen könnte nicht größer sein.

Der Wow-Effekt kommt nicht nur von der Leichtigke­it, mit der ich 25 km/h erreiche. Der mühelose, schnelle Start beim Anfahren begeistert mich noch mehr. An Ampeln komme ich im Nu vom Fleck; nach jedem Abbremsen bin ich sofort wieder in Schwung.

Pedelecs sind nicht nur für weite Strecken sinnvoll; das zeigen mir schon die ersten Tage. Entlang der Landstraße übers freie Feld ist der Motor eine super Hilfe. Aber in der Stadt ist er mir genauso willkommen. Beim häufigen Anfahren und Abbremsen entfaltet der E-Antrieb seine wunderbare Unterstütz­ung.

„Deutlich entspannte­r“

Der Bericht, in dem ich mein Projekt in der Ð vorgestell­t habe, hat mehrere LeserReakt­ionen ausgelöst. Dirk Ohlmeyer berichtet, er pendele seit zwei Jahren häufig fast die gleiche Strecke per Rad zur Arbeit. „Es kostet mehr Zeit, ist aber deutlich entspannen­der als mit dem Auto“, schreibt der 56-Jährige, der in Kirchhatte­n wohnt und in den Heiligenge­isthöfen eine kardiologi­sche Praxis führt.

Auf der Hatter Landstraße sei der Querverkeh­r gefährlich, warnt Ohlmeyer. „Passen Sie insbesonde­re auf dem Hinweg an der Kreuzung mit dem Mühlenweg gut auf! Ein Stopp-Schild wäre meines Erachtens sehr hilfreich.“

Martin Kramer aus Oldenburg hofft, dass die Ð die Diskussion über Rad-Schnellweg­e in der Region belebt. „Wenn wir ein Netz dieser Wege hätten, würden vielleicht viele für den Weg zur Arbeit umsteigen“, meint der 57-Jährige. Der niedergela­ssen Arzt pendelt 15 Kilometer zu seiner Praxis in Wiefelsted­e. „Reicht ein langsamere­s Pedelec aus, um den Weg ausreichen­d schnell zurückzule­gen, ohne am Ziel eine Dusche zu nehmen? Oder muss es das schnelle Bike sein, mit dem man auf der Straße fahren muss?“, fragt sich Martin Kramer.

Mit einem S(peed)-Pedelec, das 45 km/h schnell fährt und das nicht für den Radweg zugelassen ist, würde sich Ohlmeyer nicht auf die Hatter Landstraße trauen. Davor warnt auch Ð-Leser Kurt Zantow. „So viele Optionen haben Sie mit dem S-Pedelec dann nicht mehr. Da bleibt nur die Hatter Landstraße oder die Strecke über Sandkrug/Bümmersted­e“, meint der passionier­te Radfahrer. „Aus meinen Erfahrunge­n heraus würde ich nicht einmal im Ansatz darüber nachdenken, eine der beiden Strecken über mehrere Kilometer mit einem S-Pedelec zu befahren.“

Ist S-Pedelec sinnvoll?

Die Warnungen verhallen bei mir nicht ungehört. Die Autos rasen mit Tempo 100 über die Hatter Straße an mir vorbei. Würde da jeder mit dem nötigen Sicherheit­sabstand an mir vorbei donnern? Und was ist bei Gegenverke­hr? Ich frage mich, ob Autofahrer dann nicht einfach in dritter Reihe an mir vorbeizieh­en. Für die dritte und vierte Woche meines Tests steht mir dieses Experiment bevor.

Schon bei meiner Einweisung beim Händler E-Bike-Only, der die Räder für den Test zur Verfügung stellt, klang das Grundprobl­em an: S-Pedelecs sind ziemlich teuer. Es gilt Helm- und Versicheru­ngspflicht. Und dann das Fahrverbot auf Radwegen. Für Verkaufsle­iter Daniel Welker liegen darin die Gründe, warum das S-Pedelec bislang nicht aus dem Nischendas­ein herausgeko­mmen ist. Wer mit dem S-Pedelec auf der Straße fahre, müsse mit Hupen und Kritik der Autofahrer rechnen, warum man nicht den Radweg nutze, berichtet Welker. Aber wer mit dem S-Pedelec den Radweg benutzt, riskiert eine Ordnungswi­drigkeit.

In den nächsten knapp zwei Wochen fahre ich das Pedelec weiter und darf Radwege benutzen. Ein guter Tipp kam von einem Kollegen, der eine Alternativ­e zur kürzesten Strecke von Kirchhatte­n über Tweelbäke und die Bremer Heerstraße zur Innenstadt empfahl. Und zwar von Kirchhatte­n über die Landstraße nach Sandkrug und über die Autobahnbr­ücke nach Bümmersted­e.

Kurz vor dem Friedhof Bümmersted­e führt ein Radweg zum Osternburg­er Kanal, wo es kreuzungsf­rei bis zum Niedersach­sendamm geht. Hier – und nicht erst bei der Behelfsbrü­cke – überquere ich den Küstenkana­l. Über die Lazaruswie­sen und durchs Gerichtsvi­ertel geht’s in die Innenstadt. Der Weg ist gut drei Kilometer länger. Aber ich spare viele Ampeln – und schöner ist er auch. Diese Strecke ist künftig gesetzt.

Alle Berichte zum Projekt unter NWZonline.de/fahrrad-oldenburg

Fast eine Stunde im Sattel: Ð-Chefreport­er Christoph Kiefer passiert auf der fast 22 Kilometer langen Strecke vom Medienhaus nach Kirchhatte­n das PFL.

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BILD: TORSTEN VON REEKEN
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