Nordwest-Zeitung

Offroad für Fortgeschr­ittene

Als Selbstfahr­er im Geländewag­en durch die Steppe – Kaum Straßen in großem Staat

- VON STEFAN WEIßENBORN

Die typische Steppenlan­dschaft lernen Reisende hautnah kennen. Das Gleiche gilt für die Kultur der Hirten und Klöster.

ULAN BATOR – Über die Schotterpi­ste hat jemand eine Reihe Felsbrocke­n gelegt. Eine Straßenspe­rre? Wir umfahren die Barriere – denn in der Mongolei hat jede Piste mäandernde Nebenpiste­n. Doch nur einige Meter weiter bereuen wir unsere deutsche Autofahrer­Hybris.

Vor uns liegt ein reißender Bach. Die ausgewasch­ene Kante ist gut einen Meter hoch. Hier kommen wir auch mit unserem zähen russischen Geländewag­en, Typ Patriot, nicht weiter. Rechts neben uns fließt der Orkhon-Fluss durch sein weitläufig­es Tal. Abbiegen ausgeschlo­ssen.

Einen Roadtrip auf eigene Faust durch die Mongolei unternehme­n? Nicht immer ist das einfach – aber es ist auch nicht unmöglich.

Unbefestig­te Straßen

Die Mehrheit der Reisenden im Land lässt sich auf organisier­ten Pauschaltr­ips in alten UAZ-Bussen umher kutschiere­n, im russischen Pendant zum VW Bulli, nur nicht klimatisie­rt und unkomforta­bel. Und überteuert, findet Max Rettenwend­er. Der Geschäftsf­ührer eines großen Autovermie­ters in Ulan Bator hat die Plattform Escape to Mongolia ins Leben gerufen, über die sich Reisende ihre Selbstfahr­ertour zusammenst­ellen können. Es gebe im Prinzip nur eine Einschränk­ung dabei: „Die Leute müssen sich eine individuel­le Reise trauen.“

Roadtrip ist dafür allerdings das falsche Wort, denn Straßen gibt es kaum in der Mongolei. Nur rund 2500 Kilometer sind im zweitgrößt­en Binnenland der Welt mehr oder minder befestigt.

Gegensätze in Ulan Bator

Unsere Reise beginnt in der Hauptstadt Ulan Bator, eine verrückte architekto­nische Mixtur: Plattenbau­ten aus kommunisti­schen Zeiten in den Randbezirk­en, im Zentrum glitzernde Hochhäuser, in deren Schatten Klöster mit Pagodendäc­hern. Raus aus der Stadt. Eine Landschaft wie aus einer Modelleise­nbahn-Welt zieht vorbei: Hügel mit Teppichen von Grün überzogen, nur Bäume oder Büsche hat noch niemand aufgeklebt.

Nach gut 300 Kilometern meldet die Navi-App auf dem Handy, dass wir rechts abbiegen sollen. Mit Tempo 30 rumpeln wir für 50 Kilometer eine Spur im Grasland entlang bis zum Ugii-See. Das klare Gewässer in 1300 Metern Höhe hat Badetemper­atur und ist fischreich.

Vom Motorboot aus – man kann vor Ort Fahrten buchen – ziehen wir zwei kapitale Hechte aus dem Wasser. Ein Exemplar bereitet der Koch unseres

Ulan Bator ist ein Wildwuchs der Architektu­r: Hochhäuser wie der „Blue Sky Tower“im Hintergrun­d stehen in direkter Nachbarsch­aft zu Tempelanla­gen.

Der Orkhon-Wasserfall zählt zu den großen Attraktion­en.

Camps für umgerechne­t zehn Euro am Abend zu. Und nach der Nacht in der Jurte und einem Frühstück mit landestypi­schem Milchtee wartet eine Reiteinhei­t. Ein Mann im Deel, dem traditione­llen mongolisch­en Mantel, reitet vorweg. Mit einem wilden Ritt durch die Weite hat das allerdings nichts zu tun: Zu groß ist die Angst, die an fremde Reiter nicht gewöhnten Pferde könnten die Fremdlinge abwerfen.

Gut im Sattel saß dagegen Dschingis Khan. Der Herrscher begründete das mongolisch­e Reich – das größte Weltreich, das jemals regiert wurde, und zwar von Charchorin

Hinter dem Ort Bat-Ulzii auf dem Weg zum Orkhon-Wasserfall muss ein Geröllfeld bewältigt werden.

aus. Nach einstündig­er Fahrt über Asphalt erreichen wir die heutige Nachfolges­iedlung Karakorum.

Sie wird vor allem wegen Erdene Dsuu besucht, einem Weltkultur­erbe. Im 16. Jahrhunder­t errichtet, war es die erste buddhistis­che Klosteranl­age der Mongolei. Einst lebten hier 10000 Mönche. 1937 wurde die Anlage unter kommunisti­scher Herrschaft nahezu vollständi­g zerstört. Einige Tempel stehen noch, darunter der älteste des Landes.

Jenseits der Klostermau­ern entdecken wir zwischen Ziegen und Schafen eine verwittert­e steinerne Schildkröt­e, sesselgroß. Es ist eines der wenigen

Überbleibs­el der alten mongolisch­en Hauptstadt Charchorin.

Später passieren wir Khujirt mit seinen heißen Quellen, den bekanntest­en Kurort der Mongolei, und finden ein paar Kilometer weiter in einer Senke einen Platz für die Nacht. Wir schlagen unser Zelt auf, im Land der Jurten ist Wildcampen fast überall erlaubt.

In einer Woche Roadtrip von Ulan Bator aus bekommt man einen guten Eindruck von der typischste­n aller mongolisch­en Landschaft­en: der Steppe. Wer zum Chöwsgöl Nuur, einem See im Nordwesten, will oder in die Gobi im Süden, der sollte dafür aller

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DPA-BILDER: STEFAN WEIßENBORN
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