Alten Windrädern droht Abschaltung
Ende der EEG-Förderung trifft Niedersachsen – Strommenge aus Windenergie könnte zurückgehen
Ende des Jahres läuft für viele Windenergieanlagen die finanzielle Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz aus. Gleichzeitig sinkt die Zahl der neuen Räder.
HANNOVER/IM NORDWESTEN – Der meiste Strom, der in Deutschland aus Windenergie gewonnen wird, stammt aus Niedersachsen. Entsprechend stark könnten hier die Auswirkungen zu spüren sein, wenn Ende 2020 die ersten Windenergieanlagen nicht länger staatlich finanziell gefördert werden. Allein in Niedersachsen sind von dem Ende der Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in den kommenden fünf Jahren Altanlagen mit einer Gesamtleistung von etwa vier Gigawatt betroffen – das ist gut ein Drittel der aktuell in Niedersachsen installierten Leistung.
Wenn die über einen Zeitraum von 20 Jahren zugesicherte EEG-Vergütung endet, müssen Betreiber ihren Strom selbst an der Börse vermarkten oder einen Abnehmer finden. „Bei den aktuellen Strompreisen würde sich das allerdings nicht rechnen“, sagt Wilhelm Wilberts, GeschäftsfühWindenergie-Ausbau
rer der Planungs- und Betreiberfirma Agrowea und Vorstandsmitglied des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) Niedersachsen/Bremen.
Die Strompreise an der Börse liegen derzeit durchschnittlich bei weniger als drei Cent pro Kilowattstunde. Dagegen betragen laut einer Studie der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) die Betriebskosten für Altanlagen je nach Anlagentyp durchschnittlich drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde.
Der LEE Niedersachsen/Bremen rechnet damit, dass sich einige Betreiber dazu entscheiden werden, ihre Altanlagen abzubauen, wenn sich der Weiterbetrieb nicht mehr lohnt. In der Folge produzieren Altanlagen keinen grünen Strom mehr, obwohl sie technisch gesehen meist noch fünf bis zehn Jahre weiterlaufen könnten.
Es gibt die Möglichkeit, Altanlagen durch leistungsstärkere und effizientere zu ersetzen,
das sogenannte „Repowering“. Agrowea verfolgt diesen Weg. Zwei Projekte sind bereits in Vorbereitung, sagt Wilberts. Gleichzeitig können bis zu zehn Anlagen nicht repowert werden. Nach heutigen Vorgaben stehen diese Anlagen außerhalb von Vorrangflächen.
Das Problem dabei: Auch Windräder, die Altanlagen ersetzen sollen, müssen innerhalb der Flächen errichtet werden, die für den weiteren
vorgesehen sind. So könnten Standorte verloren gehen, die zuvor bereits für Windenergie genutzt wurden.
Die FA Wind schätzt: Mindestens 40 Prozent der Altanlagen können unter anderem aufgrund dieser Vorgaben nicht repowert werden. Für Wilhelm Wilberts sind das düstere Aussichten: „Wenn wir das alles verlieren, wird die Energiewende nicht machbar sein. Die Bundesregierung muss jetzt tätig werden.“Ein Vorschlag: Betreiber von Altanlagen sollen auf den Marktpreis zusätzlich zwei Cent pro Kilowattstunde erhalten.
Der drohende Rückbau vieler Altanlagen ist nicht das einzige Problem, mit dem die Branche zu kämpfen hat. Auch der Neubau stockt. 2019 wurden nach Angaben der FA Wind bundesweit 282 Anlagen an Land in Betrieb genommen – so wenige wie seit mehr als 20 Jahren nicht. In Niedersachsen waren es 54 Anlagen, die zu den hier rund 6300 an Land installierten Windrädern hinzukamen. 2018 waren es noch 213, 2017 sogar 479 Anlagen. Werden weiterhin so wenige Anlagen neu gebaut und geht gleichzeitig die Leistung vieler Altanlagen verloren, könnte die Gesamtmenge an Ökostrom aus Windenergie zurückgehen.