Mehr als bloß Jahreszahlen runterrattern
Job des Gästeführers hat sich stark gewandelt – Geschichte mehr in Geschichten erzählen
8chirm nach oben, Mappe unter dem Arm und immer eine Jahreszahl parat: Gästeführer erklären Land und Leute. Heutzutage kommen immer mehr Gäste aus Asien nach Deutschland.
KÖLN – Sie kommen per BusKolonne, per Kreuzfahrtschiff oder per Flugzeug: Jahr für Jahr nehmen Gästeführer in deutschen Städten Heerscharen von Touristen in Empfang. Deutschland boomt als Reiseland – im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland um 4 Prozent auf den Bestwert von 477,6 Millionen. Und der Job der Stadtführer wandelt sich.
Neues Publikum
Sie müssen sich auf Facebook und Co. vermarkten, sollten mehr unterhaltsame Geschichten als trockene Jahreszahlen parat haben. Und wenn sich ein Junggesellenabschied für eine BrauhausFührung in Köln anmeldet, muss man auch wissen, auf was man sich da einlässt. Anja Broich vom Verein Kölner Stadtführer (VKS) ist seit rund 20 Jahren Gästeführerin. Sie hat beobachtet, wie sich ihre Branche gewandelt hat.
Am Freitag veranstaltete der Bundesverband der Gäsmer teführer in Deutschland (BVGD) den 4. Deutschen Gästeführertag in Köln. Dabei ging es auch um Veränderungen in der Branche.
„Es kommen heute immer mehr Gäste aus Asien – vor allem viel mehr Chinesen. Das sind immer sehr große Gruppen, die in die Stadt strömen und auch schnell wieder weg sind“, erzählt Anja Broich. Meist würden sie ihre Chinesisch sprechenden Gästeführer selbst mitbringen, seltener seien es Chinesisch sprechende Guides aus der Stadt, „denn Chinesisch ist bei deutschen Gästeführern noch nicht so verbreitet, daher gibt es derzeit nur wenig Kontakt zu uns“. Zudem kämen Gäste aus allen europäischen Ländern, immer mehr auch aus Osteuropa. Zugenommen hätten auch Gruppen, die über Flusskreuzfahrten kommen – vor allem aus den USA, Großbritannien, Schweiz und den Niederlanden.
„Vor sehr vielen Jahren noch bestand die klassische Gästeführung darin, viele Jahreszahlen herunterzurattern“, erinnert sich die Gästeführerin. Heute sei mehr Unterhaltung gefragt. Dabei seien die Gästeführer besser ausgebildet, was die Methodik und Didaktik betrifft: „Man muss Geschichte in Geschichten erzählen, also mit Anekdoten, Hintergrundinformation“, weiß die Stadtführerin. „Die Authentizität und der Humor, den ein Guide zu vermitteln vermag, sind fast das Wichtigste heute.“Dann blieben die Inhalte besser hängen.
„Eventführungen“oder sogenannte Specials werden im- mehr gefragt. „Bei uns in Köln sind das zum Beispiel Brauhaus-Führungen“, sagt Anja Broich. Bei Junggesellenabschieden seien sie beispielsweise sehr beliebt. Da werde über Braukunst, Braugeschichte und Kölner Sagen und Legenden berichtet. Zum Ende hin dringe man allerdings häufig immer weniger mit Informationen durch, besonders, wenn die Brauhäuser gut gefüllt sind: „Man muss es mögen, auch als Gästeführer. Ich selbst zum Beispiel überlasse das Feld da lieber den jüngeren Kollegen.“
Eventführungen
Auch die sozialen Medien und die Digitalisierung spielen heutzutage eine immer größere Rolle bei den Führungen. „Es kommt mitunter ja die Frage auf, ob digitale Angebote irgendwann die Dienstleistung der Gästeführer ersetzen“, wundert sich Anja Broich. „Das beantwortet sich aber fast von selbst, denn die Erfahrungen und Emotionen, das physische Erleben einer Führung und ganz einfach die Authentizität des Originals – all das könnte nie durch eine digitale Vermittlung zu ersetzen sein.“Aber natürlich werde die eigene Vermarktung in den sozialen Netzen immer wichtiger. Da seien vor allem junge Kollegen stark vertreten.