Nordwest-Zeitung

Mehr als bloß Jahreszahl­en runterratt­ern

Job des Gästeführe­rs hat sich stark gewandelt – Geschichte mehr in Geschichte­n erzählen

- V9N JONAS-ERIK SCHMIDT

8chirm nach oben, Mappe unter dem Arm und immer eine Jahreszahl parat: Gästeführe­r erklären Land und Leute. Heutzutage kommen immer mehr Gäste aus Asien nach Deutschlan­d.

KÖLN – Sie kommen per BusKolonne, per Kreuzfahrt­schiff oder per Flugzeug: Jahr für Jahr nehmen Gästeführe­r in deutschen Städten Heerschare­n von Touristen in Empfang. Deutschlan­d boomt als Reiseland – im vergangene­n Jahr stieg die Zahl der Übernachtu­ngen von Gästen aus dem In- und Ausland um 4 Prozent auf den Bestwert von 477,6 Millionen. Und der Job der Stadtführe­r wandelt sich.

Neues Publikum

Sie müssen sich auf Facebook und Co. vermarkten, sollten mehr unterhalts­ame Geschichte­n als trockene Jahreszahl­en parat haben. Und wenn sich ein Junggesell­enabschied für eine BrauhausFü­hrung in Köln anmeldet, muss man auch wissen, auf was man sich da einlässt. Anja Broich vom Verein Kölner Stadtführe­r (VKS) ist seit rund 20 Jahren Gästeführe­rin. Sie hat beobachtet, wie sich ihre Branche gewandelt hat.

Am Freitag veranstalt­ete der Bundesverb­and der Gäsmer teführer in Deutschlan­d (BVGD) den 4. Deutschen Gästeführe­rtag in Köln. Dabei ging es auch um Veränderun­gen in der Branche.

„Es kommen heute immer mehr Gäste aus Asien – vor allem viel mehr Chinesen. Das sind immer sehr große Gruppen, die in die Stadt strömen und auch schnell wieder weg sind“, erzählt Anja Broich. Meist würden sie ihre Chinesisch sprechende­n Gästeführe­r selbst mitbringen, seltener seien es Chinesisch sprechende Guides aus der Stadt, „denn Chinesisch ist bei deutschen Gästeführe­rn noch nicht so verbreitet, daher gibt es derzeit nur wenig Kontakt zu uns“. Zudem kämen Gäste aus allen europäisch­en Ländern, immer mehr auch aus Osteuropa. Zugenommen hätten auch Gruppen, die über Flusskreuz­fahrten kommen – vor allem aus den USA, Großbritan­nien, Schweiz und den Niederland­en.

„Vor sehr vielen Jahren noch bestand die klassische Gästeführu­ng darin, viele Jahreszahl­en herunterzu­rattern“, erinnert sich die Gästeführe­rin. Heute sei mehr Unterhaltu­ng gefragt. Dabei seien die Gästeführe­r besser ausgebilde­t, was die Methodik und Didaktik betrifft: „Man muss Geschichte in Geschichte­n erzählen, also mit Anekdoten, Hintergrun­dinformati­on“, weiß die Stadtführe­rin. „Die Authentizi­tät und der Humor, den ein Guide zu vermitteln vermag, sind fast das Wichtigste heute.“Dann blieben die Inhalte besser hängen.

„Eventführu­ngen“oder sogenannte Specials werden im- mehr gefragt. „Bei uns in Köln sind das zum Beispiel Brauhaus-Führungen“, sagt Anja Broich. Bei Junggesell­enabschied­en seien sie beispielsw­eise sehr beliebt. Da werde über Braukunst, Braugeschi­chte und Kölner Sagen und Legenden berichtet. Zum Ende hin dringe man allerdings häufig immer weniger mit Informatio­nen durch, besonders, wenn die Brauhäuser gut gefüllt sind: „Man muss es mögen, auch als Gästeführe­r. Ich selbst zum Beispiel überlasse das Feld da lieber den jüngeren Kollegen.“

Eventführu­ngen

Auch die sozialen Medien und die Digitalisi­erung spielen heutzutage eine immer größere Rolle bei den Führungen. „Es kommt mitunter ja die Frage auf, ob digitale Angebote irgendwann die Dienstleis­tung der Gästeführe­r ersetzen“, wundert sich Anja Broich. „Das beantworte­t sich aber fast von selbst, denn die Erfahrunge­n und Emotionen, das physische Erleben einer Führung und ganz einfach die Authentizi­tät des Originals – all das könnte nie durch eine digitale Vermittlun­g zu ersetzen sein.“Aber natürlich werde die eigene Vermarktun­g in den sozialen Netzen immer wichtiger. Da seien vor allem junge Kollegen stark vertreten.

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DPA-BILDER: OLIVER RINDELAUB/VEREIN KÖLNER STADTFÜHRE­R Etappenzie­l vor dem Kölner Dom: Stadtführe­rin Daniela Scarpati-Kozlackov (Mitte) mit Gästeführe­rn anderer Regionen. Kleines Bild: Anja Broich
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