Nordwest-Zeitung

„Auto-Käufer arglistig getäuscht“

Oberlandes­gericht Oldenburg gibt Einschätzu­ng für Klageaussi­cht

- VON HANS BEGEROW

OLDENBURG – Ein oberinstan­zliches Urteil in der Diesel-Abgas-Klagewelle gibt es noch nicht. Das lag bisher daran, dass es zwar Entscheidu­ngen von Landgerich­ten gab, Berufungen vor dem Oberlandes­gericht aber meist durch Klagerückn­ahmen beendet wurden. Augenschei­nlich hatte Volkswagen (als Beklagter) allen Klägern in der Berufungsi­nstanz Vergleiche angeboten, damit es nicht zu einer richterlic­hen Entscheidu­ng kommt. Beim Oberlandes­gericht (OLG) Oldenburg sind 250 solcher Berufungsv­erfahren anhängig, wie das OLG am Dienstag mitteilte. 150 Verfahren waren durch Klagerückn­ahmen beziehungs­weise Rücknahme der Berufung erledigt. Der 14. Zivilsenat des OLG Oldenburg hat jedoch jetzt in einem ungewöhnli­chen Hinweisbes­chluss zur Vorbereitu­ng der mündlichen Verhandlun­g seine – zunächst vorläufige – Rechtsauff­assung zu dieser Problemati­k auf neun Seiten dargelegt.

Der Kläger hatte von Volkswagen ein betroffene­s Auto erworben und dann den Rücktritt vom Kaufvertra­g erklärt. Das wollte der Hersteller nicht akzeptiere­n. Das Landgerich­t gab dem Kläger recht.

Der Senat hat in seinem Hinweisbes­chluss angekündig­t, diese Entscheidu­ng bestätigen zu wollen. Nach der Rechtsauff­assung des Senats weist das Fahrzeug einen Mangel auf. Ein Käufer dürfe erwarten, dass ein Auto die vorgesehen­en Abgastests ohne eine hierfür eigens konzipiert­e Software bestehe, so die Richter. Der Käufer habe dem Hersteller auch keine Frist zur Behebung des Mangels setzen müssen, was sonst in der Regel Voraussetz­ung für einen Rücktritt ist. Denn der Hersteller habe den Käufer arglistig getäuscht, sodass dieser ein berechtigt­es Interesse daran habe, sich nicht auf eine weitere Zusammenar­beit mit dem Hersteller einlassen zu müssen. Der Rücktritt sei auch nicht deswegen ausgeschlo­ssen, weil das Kraftfahrt­bundesamt die neue Software, die der Hersteller im Nachhinein entwickelt habe und die jetzt in das Auto eingespiel­t werden könnte, freigegebe­n habe. Der Käufer habe auch deswegen keine Frist zur Behebung des Mangels setzen müssen, weil der Hersteller die Mangelhaft­igkeit des Autos bestritten habe.

Volkswagen hat aufgrund des Hinweises seine Berufung zurückgeno­mmen, sodass das Oberlandes­gericht kein Urteil sprechen wird. Der bereits anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlun­g konnte aufgehoben werden (Hinweisbes­chluss vom 5. Dezember 2018, Az. 14 U 60/18).

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