Großer Durst auf kleiRem Raum
Wahrscheinlich kleinste Kneipe Deutschlands steht in Varel
Die Kneipe „Up’n Prüfstand“im Vareler Hafen ist nur 4,5 Quadratmeter groß. Einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde hat Gastwirtin Uschi Reents aber nie angestrebt.
VAREL Eine leichte Brise weht einem durchs Gesicht und sorgt bei diesen sommerlichen Temperaturen für eine kleine Abkühlung. Die Boote wanken sanft im Wasser. An jeder Ecke riecht es nach frisch gebratenem Fisch. Man kann die Salzluft am Vareler Hafen förmlich schmecken.
Nicht weit vom Hafenbecken entfernt, fällt dem aufmerksamen Beobachter sofort ein kleines Backsteinhäuschen ins Auge. Ein Blick durch eines der beiden Fenster offenbart bereits, was sich hinter der Tür befindet – die vermutlich kleinste Kneipe Deutschlands oder zumindest im Nordwesten.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite öffnet sich die Tür des Fischrestaurants Vareler Hafen. Gastwirtin Uschi Reents tritt heraus. Die Kneipe „Up’n Prüfstand“gehört der 63-Jährigen. Die Idee zur Kneipe sei ihrem Mann Wolfgang beim Skatstammtisch eingefallen.
„Eigentlich hätten wir es ,Zur Waage’ nennen müssen“, erzählt Reents. In den 30er Jahren befand sich in dem Gebäude nämlich eine Waage für Fischreste. 1970 wurde das Backsteinhaus schließlich in einen Bremsenprüfstand für Lkw umfunktioniert. „Deswegen heißt die Kneipe ,Up’n Prüfstand’“, so die Wirtin – und das nun schon seit gut 27 Jahren. Der Nachbar, dem die Hütte einst gehörte, schenkte sie Uschi Reents’ Mann 1988. Drei Jahre später wurde die Kneipe eröffnet. Fortan gaben sich Fernseh- und Radioteams die Klinke in die Hand.
Eine Theke, ein Zapfhahn und ein kleines Spülbecken – viel mehr passt in den 4,5 Quadratmeter großen Raum gar nicht hinein. Auf einem Regalbrett hinter der Theke stehen ein gerahmtes Foto, Bierkrüge sowie ein schwarzrot-goldener Pokal. An der Wand hängen einige Bilder. Auch Ministerpräsident Stephan
Weil hat der Kneipe schon mal einen Besuch abgestattet. Ob sie wirklich die kleinste Kneipe Deutschlands besitzt, weiß Reents nicht. Einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde hat sie aber nie angestrebt. Wer auch einmal einen Blick riskieren möchte, kann dies zu den Öffnungszeiten des Restaurants tun.
Auf einem Aufkleber am Fenster steht „Bullenschluck“. Das Kult-Getränk, dessen Etikett scherzhaft empfiehlt, den Inhalt „bei Lahmheit der Rinder, Pferde und Zugochsen
und zur inneren Einreibung bei Menschen“anzuwenden, verkauft Reents schon seit Jahrzehnten.
Dass sie mal ein eigenes Restaurant führen würde, hätte sich die 63-Jährige früher nie träumen lassen. Sie wollte eigentlich Kindergärtnerin werden. Aber ihr Verlobter habe dann das Restaurant aufgemacht.
Die Beziehung ging auseinander, und Reents übernahm die Gastwirtschaft. „Da hatte ich Lust zu. Und manchmal fühlt sich die Arbeit auch ein bisschen an wie im Kindergarten“, sagt sie und lacht schelmisch.