Das könnte künftig an der Grenze passieren
Mit maximal f nf Migranten pro Tag ird gerechnet Warum der ompromiss fragil ist
BERLIN Olaf Scholz hofft, dass das „Sommertheater“nun vorbei ist. Doch der SPD-Vizekanzler weiß, dass es wohl nur ein vorläufiges Ende ist. Nach dem erbitterten Konflikt zwischen CDU und CSU mit dem Fast-Rücktritt von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer will die Große Koalition die Asylpolitik neu ordnen – die SPD konnte noch einige Punkte durchsetzen. Doch was ist die Einigung wert?
Kommen nun „Transitzentren“an der Grenze
Es wird nichts Neues gebaut. Seehofer muss deutliche Abstriche im Vergleich zum Ursprungsplan hinnehmen. Trotzdem meint er: „Das ist alles von A bis Z so, wie man sich das als zuständiger Minister wünscht.“Migranten, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben und an der Grenze zu Österreich abgefangen werden, sollen in bestehende Einrichtungen der Bundespolizei an der Grenze kommen oder in eine bestehende Unterbringungsmöglichkeit im Transitbereich des Flughafens München, heißt es im Einigungspapier der Koalition. Von Transitzentren ist keine Rede mehr – da konnte sich die SPD durchsetzen, die sich gegen gefängnisähnliche Lager gestemmt hatte.
Mit wie vielen Fällen rechnet man
Mit maximal fünf am Tag – dafür ist die Republik wochenlang in Atem gehalten worden, dafür wäre fast die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU zerbrochen. Aber Seehofer geht es um das generelle Signal.
Wie sollen die Verfahren ablaufen
Wie beim bestehenden Flughafenverfahren reisen die Personen rechtlich nicht nach Deutschland ein. Die Zurückweisung soll binnen 48 Stunden erfolgen. Also wird es ohnehin nur maximal zwei Übernachtungen im Bundespolizei-Gebäude geben. Das Verfahren soll nur an der Grenze zu Österreich zum Einsatz kommen. Damit es funktioniert, müssen jedoch bilaterale Abkommen gerade mit Italien und Griechenland ausgehandelt werden, von wo die meisten Migranten kommen, die schon Asyl beantragt haben.
Welches Risiko birgt der Seehofer-Plan
Dass Seehofer irgendwann der Kragen platzt. Denn die Krux ist, dass er selbst nun die notwendigen Abkommen mühselig aushandeln muss – auch wenn er betont, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei ebenfalls in der Pflicht. Seit einem Treffen mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz ist bereits ein wichtiger Punkt des zunächst zwischen CDU und CSU ausgehandelten Kompromisses hinfällig. Denn geplant war, dass Menschen, bei denen der zuständige EUStaat, zum Beispiel Italien, nicht zur Rücknahme bereit ist, nach Österreich abgewiesen werden. Das macht Kurz nicht mit. Gibt es keine Abkommen, wird das ganze Rückführungskonstrukt wie ein Soufflé in sich zusammenfallen.
Was passiert, wenn der Plan nicht funktioniert
„Es wäre keine gute Strategie, darauf zu setzen, dass es keine bilateralen Vereinbarungen gibt“, sagte Seehofer dem „Spiegel“. „Dann müssten wir darauf zurückgreifen, direkt an der Grenze abzuweisen.“Seehofer könnte den bereits vom CSU-Vorstand gebilligten Plan einer einseitigen Zurückweisung an der Grenze hervorholen – und ohne Absprachen und Abkommen mit den EU-Partnern im Kampf gegen illegale Migration Personen an der Grenze zurückweisen. Dann stünde erneut sein Rauswurf durch Merkel im Raum und die Koalition auf dem Spiel.
Was so schlimm an einem härteren „Grenzregime“
Dass eine Grundidee der Europäischen Union, das freie Reisen und der freie Handel im Schengen-Raum, ausgehebelt wird. Das hätte auch wirtschaftliche Folgen. „Unkalkulierbare Wartezeiten an den Grenzen zu Österreich und anderen Nachbarländern würden die Logistikkosten für den Handel und seine Dienstleister erheblich in die Höhe treiben“, warnt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth.
Was passiert an anderen deutschen Grenzen
Das ist zusätzlich vereinbart worden: Die Flüchtlinge sollen dort mit mobilen Grenzkontrollen und Schleierfahndungen bis zu 30 Kilometer hinter der deutschen Grenze verstärkt aufgegriffen werden.