Nordwest-Zeitung

In EU telefonier­en wie daheim

5o sieht es ein Jahr nach Ende der Roaming-Gebühren aus

- VON MICHEL WINDE UND MATTHIAS ARNOLD

Fürs Telefonier­en und Texten im EU-Ausland fallen seit einem Jahr keine Extragebüh­ren mehr an. Ist das wirklich eine Erfolgsges­chichte?

BRÜSSEL/DÜSSELDORF Ein Anruf bei den Eltern nach der Landung? Ein Strandfoto an Freunde in der Heimat schicken? Noch vor einem Jahr konnte das ganz schön ins Geld gehen. Seit dem 15. Juni 2017 ist Schluss damit – seitdem heißt es auch im EU-Ausland: „Telefonier­en wie zu Hause“. Vor einem Jahr traten in der EU neue Regeln in Kraft, nach denen die Roaming-Gebühren bei der Handynutzu­ng entfallen. Die Ersparnis für deutsche Handynutze­r wurde damals nach Angaben der EU-Kommission auf durchschni­ttlich 144 Euro pro Jahr geschätzt. Wie fällt nach einem Jahr die erste Bilanz aus?

Die Verbrauche­r haben sich anscheinen­d ziemlich schnell an das günstige Telefonier­en im Ausland gewöhnt. Bei Vodafone etwa sind Datennutzu­ng und Telefonmin­uten von deutschen Kun-

den im EU-Ausland seit dem Wegfall der Roaming-Regulierun­g deutlich gestiegen, teilt das Unternehme­n auf Anfrage mit. Genaue Zahlen nennt es nicht, aber: „Im Ergebnis sehen wir, dass sich bei Vodafone das Nutzungsve­rhalten von Roaming-Teilnehmer­n sukzessive ihrer Nutzung im Heimatland angleicht.“Telefonier­en wie zu Hause – das Ziel der EU-Kommission in Brüssel scheint sich zu erfüllen.

Der Weg dorthin war allerdings lang und verworren. Schon vor elf Jahren, im Juli 2007, trat in der EU der sogenannte Eurotarif in Kraft. Ausgehende Anrufe durften maxi-

mal 49 Cent pro Minute kosten, eingehende Anrufe höchstens 24 Cent. Von da an ging es nach und nach bergab: 2009 etwa lagen die Höchstkost­en bei 43 Cent beziehungs­weise 19 Cent pro Minute. Es folgten weitere, niedrigere Obergrenze­n, bis das Roaming schließlic­h komplett abgeschaff­t werden sollte – zumindest fast.

Denn einen Vorschlag der EU-Kommission, wonach Anbieter das kostenfrei­e Roaming im EU-Ausland auf 90 Tage befristen könnten, wurde 2016 auf Anordnung des Kommission­spräsident­en Jean-Claude Juncker wieder kassiert. 90 Tage waren ihm nicht genug. Im September 2016 legte die Kommission dann mit einem neuen Vorschlag nach, im April 2017 stimmten Europaparl­ament und EU-Staaten dem endgültige­n Vorschlag zu. Und seit Mitte Juni 2017 fallen die Extrakoste­n schließlic­h ganz weg. Die EU-Kommission feiert das als großen Erfolg – und als Beweis für lebensnahe Entscheidu­ngen aus Brüssel.

Das bestätigen auch Zahlen der europäisch­en Regulierun­gsstelle für elektronis­che Kommunikat­ion vom März dieses Jahres. Demnach stieg etwa der Internet-Datenverke­hr bei Roamingdie­nstleister­n im dritten Quartal 2017 um nahezu 150 Prozent.

Die Bilanz von Verbrauche­rschützern ist durchweg positiv. „Der prophezeit­e Bärendiens­t am Verbrauche­r durch steigende Preise ist ausgeblieb­en“, sagt Lina Ehrig, die beim Bundesverb­and der Verbrauche­rzentrale in Berlin das Team Digitales und Medien leitet. Eine Schwachste­lle haben die EU-Regeln aus Sicht der Verbrauche­rschützer allerdings noch: Sie gelten nicht für Anrufe aus dem Heimatland in ein anderes EULand. Ruft etwa jemand aus Deutschlan­d in Spanien an, kann es nach wie vor teuer werden.

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DPA-BILD: WARNECKE Entspannte­res Telefonier­en im EU-Ausland: Seit einem Jahr fallen dort keine Roaming-Gebühren mehr an.

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