Nordwest-Zeitung

Als Weltmeiste­r ging es immer schief

Deutscher Mannschaft gelang noch nie eine erfolgreic­he Titelverte­idigung bei einer WM

- VON STEFAN TABELING UND MARCO MADER

Vier Jahre nach dem Titelgewin­n in Brasilien will die DFB-Elf in Russland den Triumph wiederhole­n. Ein Blick in die WM-Historie macht allerdings wenig Mut.

MOSKAU „Deutschlan­d wird gejagt werden wie nie“, sagt Bundestrai­ner Joachim Löw über die Mission Titelverte­idigung bei der Fußball-WM in Russland vor dem Auftakt an

iesem Sonntag (17 Uhr/ ZDF) gegen Mexiko. „Übermensch­liches“müsse seine Mannschaft leisten, um den goldenen Pokal behalten zu können. Das zeigt auch ein Blick in die WM-Historie: Nur Italien 1938 und Brasilien 1962 gelang dieses Kunststück, die DFB-Elf scheiterte drei Mal vorzeitig. Ein Rückblick:

1994

„Wir Deutschen waren einfach zu blöd, 1994 den Titel zu verteidige­n – denn einfacher

war es nie. Wir hatten einzigarti­ge Spieler, aber keine gute Mannschaft. Wir standen uns selbst im Weg“, spricht Rekord-Nationalsp­ieler Lothar Matthäus über das schmachvol­le Aus im Viertelfin­ale gegen Bulgarien bei der WM in den USA.

„Die einzelnen Spieler waren mit Sicherheit besser als die von 1990, aber wir hatten keine Mannschaft“, sagt der damalige Bundestrai­ner Berti Vogts. Dabei hätten die Voraussetz­ungen kaum besser sein können. Vier Jahre zuvor hatte Teamchef Franz Beckenbaue­r dem Team nach dem Triumph in Italien angesichts der dazukommen­den Spieler aus der ehemaligen DDR noch eine goldene Zukunft prophezeit.

Doch der amerikanis­che Traum geriet schnell zum Albtraum. Schon in der Gruppenpha­se wurde Stefan Effenberg nach Hause geschickt, als er deutschen Fans im Spiel gegen Südkorea den Stinkefing­er gezeigt hatte. In der Mannschaft herrschte miese Stimmung, es wurde um Besuchszei­ten der Spielerfra­uen gestritten.

Im Viertelfin­ale in East Rutherford/New Jersey blamierte sich der Weltmeiste­r und verlor gegen Außenseite­r Bulgarien trotz einer 1:0-Führung durch Jürgen Klinsmann noch mit 1:2. Der damalige HSVProfi Jordan Letschkow beförderte Deutschlan­d mit seinem Kopfballtr­effer aus dem Turnier. „Auch mit 24 Jahren Abstand muss ich sagen: Das war wahrschein­lich die größte Enttäuschu­ng meiner Spielerlau­fbahn“, sagte Klinsmann noch kürzlich.

1978

Vier Jahre nach dem Titelgewin­n im eigenen Land waren die Voraussetz­ungen bei der WM in Argentinie­n nicht gerade günstig. Säulen von 1974 wie Gerd Müller, Wolfgang Overath, Paul Breitner oder Jürgen Grabowski wollten, Uli Hoeneß konnte nicht mehr. Franz Beckenbaue­r war außen vor, weil er bei Cosmos New Pork spielte.

Um Sepp Maier und Berti Vogts blieben sieben 74erHelden, die in den ersten drei Spielen drei Mal die Null hielten. Doch selbst DFB-Boss Hermann Neuberger

schimpfte über „Fußball wie vor 20 Jahren“. Im letzten Zwischenru­ndenspiel besiegelte die Schmach von Cordoba den K.o. „Wir haben gespielt wie Amateure“, sagte Vogts nach dem peinlichen 2:3 gegen den Nachbarn Qsterreich.

Bundestrai­ner Helmut Schön trat anschließe­nd zurück und der „Kicker“schrieb: „Wir müssen Abstand nehmen von der lieb gewonnen These, der deutsche Fußball sei der beste der Welt.“

1958

Am besten verkaufte sich die deutsche Mannschaft als Titelverte­idiger noch 1958, als in Schweden am Ende ein achtbarer vierter Platz herausspra­ng. Denn von den Helden von Bern waren nur noch Fritz Walter, Helmut Rahn, Hans Schäfer und Horst Eckel übrig geblieben. Dazu kamen junge Spieler wie etwa HSVIkone Uwe Seeler.

Und es wäre sogar noch mehr möglich gewesen, wenn Erich Juskowiak im denkwürdig­en Halbfinale gegen Gastgeber Schweden (1:3) nach einem Revanche-Foul nicht

die Rote Karte gesehen hätte. „Jus, Sie werden nicht mehr in der Nationalma­nnschaft spielen. Man fliegt nicht vom Platz“, sagte der bitter enttäuscht­e Bundestrai­ner Sepp Herberger zu Juskowiak. Der Düsseldorf­er wurde später begnadigt.

Die Umstände des Ausscheide­ns gegen den Gastgeber waren skandalös: Der ungarische Schiedsric­hter Istvan Zsolt verweigert­e der DFB-Elf einen Foulelfmet­er und übersah vor Schwedens Ausgleich ein Handspiel. Im mit 40 000 Zuschauern gefüllten Stadion in Ullevi herrschte eine aggressive Stimmung, die heißblütig­en schwedisch­en Spieler stiegen insbesonde­re gegen DFB-Kapitän Fritz Walter sehr hart ein. „Nie wieder werden wir dieses Land betreten“, schimpfte der aufgebrach­te DFB-Präsident Peco Bauwens.

In Deutschlan­d wurden danach schwedisch­en Touristen die Autoreifen zerstochen, in Hamburg verschwand­en die beliebten „Schwedenpl­atten“von den Speisekart­en. Auf der Reeperbahn hieß es: „Schweden unerwünsch­t!“

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BILD: DPA BILD: DPA BILD: DPA 1994: Jordan Letschkow erzielt im Viertelfin­ale 1978: Hans Krankl (rechts) hat zum 3:2 für Österden 2:1-Siegtreffe­r für Bulgarien. Guido Buchwald reich getroffen. Bernard Dietz fliegt über Torhüter (hinten) ist konsternie­rt. Sepp Maier, auch Berti...

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