Als Weltmeister ging es immer schief
Deutscher Mannschaft gelang noch nie eine erfolgreiche Titelverteidigung bei einer WM
Vier Jahre nach dem Titelgewinn in Brasilien will die DFB-Elf in Russland den Triumph wiederholen. Ein Blick in die WM-Historie macht allerdings wenig Mut.
MOSKAU „Deutschland wird gejagt werden wie nie“, sagt Bundestrainer Joachim Löw über die Mission Titelverteidigung bei der Fußball-WM in Russland vor dem Auftakt an
iesem Sonntag (17 Uhr/ ZDF) gegen Mexiko. „Übermenschliches“müsse seine Mannschaft leisten, um den goldenen Pokal behalten zu können. Das zeigt auch ein Blick in die WM-Historie: Nur Italien 1938 und Brasilien 1962 gelang dieses Kunststück, die DFB-Elf scheiterte drei Mal vorzeitig. Ein Rückblick:
1994
„Wir Deutschen waren einfach zu blöd, 1994 den Titel zu verteidigen – denn einfacher
war es nie. Wir hatten einzigartige Spieler, aber keine gute Mannschaft. Wir standen uns selbst im Weg“, spricht Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus über das schmachvolle Aus im Viertelfinale gegen Bulgarien bei der WM in den USA.
„Die einzelnen Spieler waren mit Sicherheit besser als die von 1990, aber wir hatten keine Mannschaft“, sagt der damalige Bundestrainer Berti Vogts. Dabei hätten die Voraussetzungen kaum besser sein können. Vier Jahre zuvor hatte Teamchef Franz Beckenbauer dem Team nach dem Triumph in Italien angesichts der dazukommenden Spieler aus der ehemaligen DDR noch eine goldene Zukunft prophezeit.
Doch der amerikanische Traum geriet schnell zum Albtraum. Schon in der Gruppenphase wurde Stefan Effenberg nach Hause geschickt, als er deutschen Fans im Spiel gegen Südkorea den Stinkefinger gezeigt hatte. In der Mannschaft herrschte miese Stimmung, es wurde um Besuchszeiten der Spielerfrauen gestritten.
Im Viertelfinale in East Rutherford/New Jersey blamierte sich der Weltmeister und verlor gegen Außenseiter Bulgarien trotz einer 1:0-Führung durch Jürgen Klinsmann noch mit 1:2. Der damalige HSVProfi Jordan Letschkow beförderte Deutschland mit seinem Kopfballtreffer aus dem Turnier. „Auch mit 24 Jahren Abstand muss ich sagen: Das war wahrscheinlich die größte Enttäuschung meiner Spielerlaufbahn“, sagte Klinsmann noch kürzlich.
1978
Vier Jahre nach dem Titelgewinn im eigenen Land waren die Voraussetzungen bei der WM in Argentinien nicht gerade günstig. Säulen von 1974 wie Gerd Müller, Wolfgang Overath, Paul Breitner oder Jürgen Grabowski wollten, Uli Hoeneß konnte nicht mehr. Franz Beckenbauer war außen vor, weil er bei Cosmos New Pork spielte.
Um Sepp Maier und Berti Vogts blieben sieben 74erHelden, die in den ersten drei Spielen drei Mal die Null hielten. Doch selbst DFB-Boss Hermann Neuberger
schimpfte über „Fußball wie vor 20 Jahren“. Im letzten Zwischenrundenspiel besiegelte die Schmach von Cordoba den K.o. „Wir haben gespielt wie Amateure“, sagte Vogts nach dem peinlichen 2:3 gegen den Nachbarn Qsterreich.
Bundestrainer Helmut Schön trat anschließend zurück und der „Kicker“schrieb: „Wir müssen Abstand nehmen von der lieb gewonnen These, der deutsche Fußball sei der beste der Welt.“
1958
Am besten verkaufte sich die deutsche Mannschaft als Titelverteidiger noch 1958, als in Schweden am Ende ein achtbarer vierter Platz heraussprang. Denn von den Helden von Bern waren nur noch Fritz Walter, Helmut Rahn, Hans Schäfer und Horst Eckel übrig geblieben. Dazu kamen junge Spieler wie etwa HSVIkone Uwe Seeler.
Und es wäre sogar noch mehr möglich gewesen, wenn Erich Juskowiak im denkwürdigen Halbfinale gegen Gastgeber Schweden (1:3) nach einem Revanche-Foul nicht
die Rote Karte gesehen hätte. „Jus, Sie werden nicht mehr in der Nationalmannschaft spielen. Man fliegt nicht vom Platz“, sagte der bitter enttäuschte Bundestrainer Sepp Herberger zu Juskowiak. Der Düsseldorfer wurde später begnadigt.
Die Umstände des Ausscheidens gegen den Gastgeber waren skandalös: Der ungarische Schiedsrichter Istvan Zsolt verweigerte der DFB-Elf einen Foulelfmeter und übersah vor Schwedens Ausgleich ein Handspiel. Im mit 40 000 Zuschauern gefüllten Stadion in Ullevi herrschte eine aggressive Stimmung, die heißblütigen schwedischen Spieler stiegen insbesondere gegen DFB-Kapitän Fritz Walter sehr hart ein. „Nie wieder werden wir dieses Land betreten“, schimpfte der aufgebrachte DFB-Präsident Peco Bauwens.
In Deutschland wurden danach schwedischen Touristen die Autoreifen zerstochen, in Hamburg verschwanden die beliebten „Schwedenplatten“von den Speisekarten. Auf der Reeperbahn hieß es: „Schweden unerwünscht!“