Nordwest-Zeitung

Facebook-Skandal weitet sich aus

Bis zu 87 Millionen Konten betroffen – Zuckerberg schwört Besserung

- VON ANDREJ SOKOLOW, JENNY TOBIEN UND CHRISTIANE JACKE

Reue wird dem sozialen Netzwerk wenig nützen. Sowohl die Europäisch­e Union als auch die Einzelstaa­ten wetzen bereits die Messer.

MENLO PARK/BERLIN – Der Facebook-Datenskand­al um Cambridge Analytica weitet sich dramatisch aus. Die Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern könnten auf unrechtmäß­ige Weise an die britsche Datenanaly­seFirma gelangt sein. Bislang war man von rund 50 Millionen ausgegange­n. In Deutschlan­d sind möglicherw­eise bis zu 310000 Nutzer betroffen, teilte das OnlineNetz­werk mit. Die EU-Kommission kündigte am Donnerstag Gespräche mit dem US-Konzern für die kommenden Tage an. Netzexpert­en befürchten, dass der aktuelle Skandal kein Einzelfall ist, sondern nur die „Spitze des Eisbergs“.

In der Affäre geht es auch um die Frage, welche Rolle die Daten von Cambridge Analytica im US-Wahlkampf des damaligen Präsidents­chaftsbewe­rbers Donald Trump spielten. Mit etwa 70,6 Millionen stammen die weitaus meisten potenziell betroffene­n Nutzer aus den USA – knapp 40 Prozent der damaligen US-Facebook-Nutzer.

Was genau ist passiert? Cambridge Analytica hatte die Daten von einem britischen Professor bekommen, der 2014 eine App mit einer Psychologi­e-Umfrage auf die Facebook-Plattform brachte. Nach der damaligen Funktionsw­eise von Facebook hatte die App auch Zugang zu einigen Informatio­nen der Freunde der Umfrage-Teilnehmer, etwa deren Likes und Interessen. Das erklärt die hohe Zahl betroffene­r Nutzer.

Cambridge Analytica half unter anderem, gezielt Werbung bei Facebook zugunsten von Trump zu platzieren. Cambridge Analytica betont aber, sie habe die FacebookDa­tensätze nicht im Wahlkampf eingesetzt.

An der Umfrage hatten sich nach Facebook-Angaben lediglich 65 Nutzer aus Deutschlan­d beteiligt. Durch den Schneeball­effekt könnten aber bis zu 309 815 FacebookMi­tglieder aus Deutschlan­d betroffen sein. Denn Ausgangspu­nkte sind nicht nur die wenigen deutschen Teilnehmer, sondern auch Facebook-Nutzer in den USA und anderen Ländern, die bei der Umfrage mitmachten und Facebook-Freunde in Deutschlan­d haben.

Ist nun das komplette Ausmaß des Datenskand­als bekannt? Nein, fürchtet der für Facebook zuständige Hamburger Datenschut­zbeauftrag­te, Johannes Caspar. „Facebook hat zur Unterstütz­ung seines eigenen Geschäftsm­odells einen sehr weitgehend­en Zugriff für Apps Dritter auf Nutzerdate­n zugelassen“, sagte er. „Der Fall Cambridge Analytica bildet da nur die Spitze des Eisbergs.“

Facebook wusste seit 2015 von dem Datenmissb­rauch, gab sich aber mit der Zusicherun­g der Firma zufrieden, die Daten seien gelöscht worden. Weitere rechtliche Schritte wurden nicht eingeleite­t. Auch die Nutzer wurden damals nicht über die Vorgänge informiert, was Facebook inzwischen als Fehler bezeichnet und nachholen will.

Konzernche­f Mark Zuckerberg muss nächsten Mittwoch im US-Kongress zu dem Skandal Rede und Antwort stehen. Kurz vor dem für ihn unbequemen Auftritt gab er sich in einer Telefonkon­ferenz mit Journalist­en erneut selbstkrit­isch. Facebook habe nicht genug unternomme­n, um seine Nutzer zu schützen. „Das war unser Fehler, das war mein Fehler.“

Facebook verkündete auch mehrere Vorkehrung­en, um Daten besser zu schützen. Unter anderem können Nutzer-Profile nicht mehr über Telefonnum­mern und EMail-Adresse gesucht werden. Zudem soll die Anmeldung bei anderen Apps über die Facebook-Login-Daten strikter gehandhabt werden. Dadurch kam es am Donnerstag vorübergeh­end zu technische­n Problemen, etwa bei Nutzern der Dating-App Tinder.

Der EU reicht es nicht, was der Konzern bislang im Zuge des Skandals angestoßen hat. Die EU-Kommission will in den nächsten Tagen „auf höchster Ebene“mit Facebook Gespräche führen. EUJustizko­mmissarin Vera Jourová schrieb auf Twitter, das wachsende Ausmaß des Falls sei „sehr besorgnise­rregend“. Facebook müsse mehr tun.

Auch die Bundesregi­erung verlangt weitere Schritte. „Facebook ist ein Netzwerk der Intranspar­enz“, klagte Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD). „Ethische Überzeugun­gen fallen kommerziel­len Interessen zum Opfer.“Facebook lebe vom Vertrauen seiner Nutzer und habe dieses verspielt. Die Aufklärung dürfe sich nicht nur auf den Fall von Cambridge Analytica beschränke­n. Facebook habe auch versproche­n, die Betroffene­n in Deutschlan­d zu informiere­n. Das müsse nun passieren.

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AP-BILD: MARTINEZ MONSIVAIS VeEspEicht besseEen Datenschut­z: FacebookCh­ef MaEk ZuckeEbeEg

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