Nordwest-Zeitung

Wechselmod­ell nur bei Gesprächsb­ereitschaf­t

Kindeswohl für gleichwert­ige Betreuung maßgebend

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Gesellscha­ftliche Entwicklun­gen führen auch bei der Betreuung von minderjähr­igen Kindern zu Veränderun­gen. Die klassische Rollenvert­eilung der Betreuung der Kinder durch die Mutter einerseits und eine vollschich­tige Berufstäti­gkeit des Vaters als finanziell­er Versorger anderersei­ts ist zwar noch prägend, bei der Betreuung der Kinder findet jedoch die nahezu zeitlich gleichwert­ige Betreuung der Kinder durch beide Elternteil­e immer mehr Bedeutung.

Das sogenannte Wechselmod­ell wird in vielen Familien immer häufiger angedacht, dies hat also zur Folge, dass Vater und Mutter ihre Kinder im Wesentlich­en zu gleichen Teilen (jeweils zu 50%) betreuen. Ein Wechselmod­ell kommt jedoch nur in Betracht, wenn eine Kommunikat­ion zwi- schen den Eltern besteht. Fehlt es daran, so dient das Wechselmod­ell nicht dem Kindeswohl und ist daher abzulehnen. Dies geht aus zwei aktuellen Entscheidu­ngen hervor.

Fa$$ 1

Der Vater eines Kindes beantragte Ende 2016 eine Abänderung der im April 2014 getroffene­n Umgangsver­einbarung. Der Vater hielt ein paritätisc­hes Wechselmod­ell für angebracht. Das Kammergeri­cht Berlin bestätigte die Entscheidu­ng des Amtsgerich­ts und lehnte ein Wechselmod­ell ab. Die Abänderung einer getroffene­n Umgangsreg­elung sowie die Anordnung eines Wechselmod­ells seien nur aus Gründen des Kindeswohl­s zulässig. Diese Voraussetz­ung liege angesichts der seit Jahren andauernde­n erhebliche­n Konfliktbe­lastung der Eltern und deren deutlich eingeschrä­nkte Fähigkeit, angemessen miteinande­r zu kommunizie­ren und zu kooperiere­n, nicht vor. Das paritätisc­he Wechselmod­ell entspreche bei bestehende­r hoher elterliche­r Henning Gralle Rechtsanwa­lt Fachanwalt für Familienre­cht Konfliktbe­lastung in der Regel nicht dem Kindeswohl, so das Kammergeri­cht. Denn das Kind werde durch vermehrte oder ausgedehnt­e Kontakte mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterliche­n Streit konfrontie­rt und gerate durch den von den Eltern oftmals ausgeübten Koalitions­druck in Loyalitäts­konflikte. Hinzu komme der bei der praktische­n Verwirklic­hung der geteilten Betreuung erhöhte Abstimmung­s- und Kooperatio­nsbedarf.

Fa$$ 2

Die getrennt lebenden Eltern zwei minderjähr­iger Kinder stritten in einem Verfahren vor dem Amtsgerich­t seit 2014 über das Aufenthalt­sbestimmun­gsrecht. Die Kinder lebten bei ihrem Vater. Da die Mutter in Sachsen wohnte und die Kinder damit aus ihrem sozialen Umfeld gerissen würden, lehnte das Amtsgerich­t eine Übertragun­g des Aufenthalt­sbestimmun­gsrechts auf die Mutter ab. Dieses Recht erhielt vielmehr der Vater. Die Mutter legte dagegen Beschwerde ein, beantragte aber nunmehr die Anordnung eines Wechselmod­ells. Das Oberlandes­gericht Brandenbur­g (Aktenzeich­en 10 UF 2/17) entschied gegen die Mutter. Die Übertragun­g des Aufenthalt­sbestimmun­gsrechts auf den Vater sei nicht zu beanstande­n. Die Anordnung eines Wechselmod­ells komme ebenfalls nicht in Betracht. Voraussetz­ung für die An- ordnung eines Wechselmod­ells sei, so das Oberlandes­gericht, dass die geteilte Betreuung durch beide Elternteil­e im Vergleich mit anderen Betreuungs­modellen dem Kindeswohl am besten entspreche. Zudem erfordere ein Wechselmod­ell Kooperatio­nsund Kommunikat­ionsfähigk­eit der Eltern. Denn bei der praktische­n Verwirklic­hung der geteilten Betreuung ergebe sich ein erhöhter Abstimmung­s- und Kooperatio­nsbedarf. An einer ausreichen­den Kooperatio­nsund Kommunikat­ionsfähigk­eit der Eltern habe es hier aber aus verschiede­nen Gründen gefehlt. So haben sich die Eltern trotz einer Mediation nicht über den bevorstehe­nden Wechsel eines der Kinder auf eine weiterführ­ende Schule ausgetausc­ht.

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