Deutschlands Rumpftruppe
Die Welt trifft sich am Wochenende in München zur Sicherheitskonferenz
Wenn Wolfgang Ischinger im Sommer eines jeden Jahres mit den Planungen für die nächste Münchner Sicherheitskonferenz beginnt, steht ihm die ganze Welt offen. Von Wladimir Putin bis Donald Trump ist fast jeder Staatsund Regierungschef ein potenzieller Gast – von wenigen Ausnahmen wie Kim Jong Un aus Nordkorea oder Baschar al-Assad aus Syrien abgesehen. Am Ende finden sich meistens um die 20 Chefs sowie etliche Dutzend Außenund Verteidigungsminister in dem inzwischen eigentlich viel zu kleinen Luxushotel Bayerischer Hof ein, um sich drei Tage lang über die Krisen dieser Welt auszutauschen.
In diesem Jahr gab es für Ischinger allerdings ein Problem: Zum ersten Mal in 54 Jahren gibt es zu der an diesem Freitag beginnenden Sicherheitskonferenz keine richtige Bundesregierung. Das Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist seit Oktober nur noch geschäftsführend im Amt. Wann es eine neue Regierung geben und wer ihr angehören wird, ist unklar. Ausgerechnet Gastgeber Deutschland ist also diesmal in München nur mit einer Rumpftruppe vertreten.
Merkel betont zwar stets, dass die Bundesregierung trotz der Hängepartie bei der Regierungsbildung außenpolitisch voll handlungsfähig ist. Auf der großen internationalen Bühne in München will sie sich in einer solchen Situation trotzdem nicht blicken lassen. Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der als Außenminister lange Zeit Stammgast in München war, denkt gar nicht daran, als Lückenbüßer einzuspringen. „Er ist nicht der Ersatzmann der Bundesregierung“, heißt es in seinem Umfeld.
In der vergangenen Woche sah es dann vorübergehend so aus, als würde zum ersten Mal seit Jahren noch nicht einmal der deutsche Außenminister nach München reisen. Sigmar Gabriel sagte ab, nachdem Martin Schulz sich zum künftigen Chefdiplomaten erklärt hatte. Als der dann doch auf einen Kabinettsposten verzichtete, sagte Gabriel wieder zu. Das Chaos war perfekt.
Jetzt stehen immerhin doch noch fünf Bundesminister auf der Teilnehmerliste. Nicht alle werden aber bei einer neuen Großen Koalition im Kabinett bleiben. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat beispielsweise bereits angekündigt, dass er der neuen Regierung nicht angehören wird.
Die Eröffnungsrede in München hält Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), der gute Chancen eingeräumt werden, ihr Amt zu behalten. Von Außenminister Gabriel kann man das nicht sagen. Von ihm wird aber erwartet, dass er bei seiner Rede am Samstag noch einmal richtig aufdrehen und sich damit für eine weitere Amtszeit bewerben wird. Sein Hauptthema wird Europa sein. Dazu werden sich auch die britische Premierministerin Theresa May und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Wort melden.
Eine zentrale Rede, die den Konferenzverlauf bestimmt, zeichnet sich diesmal noch nicht ab. Im vergangenen Jahr gab US-Vizepräsident Mike Pence den Ton an, indem er die Außenpolitik des damals gerade vereidigten US-Präsidenten Donald Trump präsentierte. Im Jahr davor war es der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew, der vor einem neuen Kalten Krieg warnte.
Der vielleicht prominenteste Gast ist diesmal der zu Hause von einer Korruptionsaffäre geplagte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Aus der Krisenregion Nahost sind zudem die Außenminister des Iran und Saudi-Arabiens, Mohammed Sarif und Adel al-Jubeir, dabei. Das komplizierte Konfliktgeflecht dort dürfte neben der Zukunft Europas ein Hauptthema sein.
Einige der Regierungschefs machen vor der Konferenz einen Abstecher zu Merkel ins Berliner Kanzleramt. Dort wünscht man sich, dass aus der geschäftsführenden Regierung endlich wieder eine reguläre wird, damit wieder eine vorbehaltlose Außenpolitik möglich ist.