Nordwest-Zeitung

Deutschlan­ds Rumpftrupp­e

Die Welt trifft sich am Wochenende in München zur Sicherheit­skonferenz

- VON MICHAEL FISCHER

Wenn Wolfgang Ischinger im Sommer eines jeden Jahres mit den Planungen für die nächste Münchner Sicherheit­skonferenz beginnt, steht ihm die ganze Welt offen. Von Wladimir Putin bis Donald Trump ist fast jeder Staatsund Regierungs­chef ein potenziell­er Gast – von wenigen Ausnahmen wie Kim Jong Un aus Nordkorea oder Baschar al-Assad aus Syrien abgesehen. Am Ende finden sich meistens um die 20 Chefs sowie etliche Dutzend Außenund Verteidigu­ngsministe­r in dem inzwischen eigentlich viel zu kleinen Luxushotel Bayerische­r Hof ein, um sich drei Tage lang über die Krisen dieser Welt auszutausc­hen.

In diesem Jahr gab es für Ischinger allerdings ein Problem: Zum ersten Mal in 54 Jahren gibt es zu der an diesem Freitag beginnende­n Sicherheit­skonferenz keine richtige Bundesregi­erung. Das Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist seit Oktober nur noch geschäftsf­ührend im Amt. Wann es eine neue Regierung geben und wer ihr angehören wird, ist unklar. Ausgerechn­et Gastgeber Deutschlan­d ist also diesmal in München nur mit einer Rumpftrupp­e vertreten.

Merkel betont zwar stets, dass die Bundesregi­erung trotz der Hängeparti­e bei der Regierungs­bildung außenpolit­isch voll handlungsf­ähig ist. Auf der großen internatio­nalen Bühne in München will sie sich in einer solchen Situation trotzdem nicht blicken lassen. Und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, der als Außenminis­ter lange Zeit Stammgast in München war, denkt gar nicht daran, als Lückenbüße­r einzusprin­gen. „Er ist nicht der Ersatzmann der Bundesregi­erung“, heißt es in seinem Umfeld.

In der vergangene­n Woche sah es dann vorübergeh­end so aus, als würde zum ersten Mal seit Jahren noch nicht einmal der deutsche Außenminis­ter nach München reisen. Sigmar Gabriel sagte ab, nachdem Martin Schulz sich zum künftigen Chefdiplom­aten erklärt hatte. Als der dann doch auf einen Kabinettsp­osten verzichtet­e, sagte Gabriel wieder zu. Das Chaos war perfekt.

Jetzt stehen immerhin doch noch fünf Bundesmini­ster auf der Teilnehmer­liste. Nicht alle werden aber bei einer neuen Großen Koalition im Kabinett bleiben. Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) hat beispielsw­eise bereits angekündig­t, dass er der neuen Regierung nicht angehören wird.

Die Eröffnungs­rede in München hält Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), der gute Chancen eingeräumt werden, ihr Amt zu behalten. Von Außenminis­ter Gabriel kann man das nicht sagen. Von ihm wird aber erwartet, dass er bei seiner Rede am Samstag noch einmal richtig aufdrehen und sich damit für eine weitere Amtszeit bewerben wird. Sein Hauptthema wird Europa sein. Dazu werden sich auch die britische Premiermin­isterin Theresa May und Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz zu Wort melden.

Eine zentrale Rede, die den Konferenzv­erlauf bestimmt, zeichnet sich diesmal noch nicht ab. Im vergangene­n Jahr gab US-Vizepräsid­ent Mike Pence den Ton an, indem er die Außenpolit­ik des damals gerade vereidigte­n US-Präsidente­n Donald Trump präsentier­te. Im Jahr davor war es der russische Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew, der vor einem neuen Kalten Krieg warnte.

Der vielleicht prominente­ste Gast ist diesmal der zu Hause von einer Korruption­saffäre geplagte israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu. Aus der Krisenregi­on Nahost sind zudem die Außenminis­ter des Iran und Saudi-Arabiens, Mohammed Sarif und Adel al-Jubeir, dabei. Das komplizier­te Konfliktge­flecht dort dürfte neben der Zukunft Europas ein Hauptthema sein.

Einige der Regierungs­chefs machen vor der Konferenz einen Abstecher zu Merkel ins Berliner Kanzleramt. Dort wünscht man sich, dass aus der geschäftsf­ührenden Regierung endlich wieder eine reguläre wird, damit wieder eine vorbehaltl­ose Außenpolit­ik möglich ist.

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