Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Energie und Mobilität – so planen die Stadtwerke
Die Stadtwerke Neuss freuen sich über ein gutes Ergebnis im Geschäftsjahr 2023. Was bedeutet das für die Strom- und Gaspreise der Kunden? Und wie geht es weiter mit der E-Mobilität? Antworten der Geschäftsführer Stephan Lommetz und Thomas Walkiewicz.
Herr Lommetz, die Stadtwerke Neuss melden für ihr Geschäftsjahr 2023 Steigerungen bei Umsatz und Ergebnis. Ist die Energiekrise, ausgelöst durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, Geschichte? STEPHAN LOMMETZ Vorbei ist sie nicht, aber wir sehen aktuell eine Beruhigung der Märkte, leben aber dennoch in ungewissen Zeiten. 2023 konnten wir den Konzernumsatz in allen Geschäftsfeldern auf 315,1 Millionen Euro (Vorjahr: 248,5 Millionen Euro) steigern. Nach Steuern und Ausschüttung an unsere Minderheitsgesellschafter haben wir einen Konzernüberschuss von rund 9,95 Millionen Euro (Vorjahr: rund 9,3 Millionen Euro) erwirtschaftet. Wir liegen damit deutlich über dem Planansatz für 2023.
Woraus resultieren die Steigerungen in Zeiten, in denen private Haushalte und Unternehmen doch eigentlich bemüht sind, Energie zu sparen?
LOMMETZ Wir haben uns sehr frühzeitig gut aufgestellt, vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien. Die Erträge aus der Vermarktung von Strom, der mit Windkraft und Sonnenenergie gewonnen wird, sind kräftig gestiegen. Im Geschäftskundenbereich konnte der Vertrieb Erfolge erzielen. Das Finanzergebnis hat sich durch das gestiegene Zinsniveau fast verdoppelt und auch die Beteiligungen der Stadtwerke haben zu höheren Erträgen als geplant geführt. Zudem sind Zahlungsausfälle niedriger ausgefallen als angenommen.
Haben die Neusser 2023 weiter Energie gespart oder normalisiert sich der Verbrauch wieder? LOMMETZ Der Trend zum Energiesparen hat in Neuss auch 2023 angehalten: Unser Stromabsatz sank leicht um 2,7 Prozent auf 333 Gigawattstunden (GWh). Vor allem im Privat- und Geschäftskundenbereich waren deutliche Einsparungen zu verzeichnen. Auch der Gasabsatz reduzierte sich noch einmal um 3 Prozent auf 1580 GWh. Der Fernwärmeabsatz stieg hingegen leicht um 3,4 Prozent auf 18,2 GWh. Der Wasserabsatz ist im Vergleich zum Vorjahr im Haushaltsbereich leicht um 1,4 Prozent gesunken.
Mit welchen Auswirkungen auf das Geschäftsjahr 2023?
LOMMETZ Der Umsatz der Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser ist im vergangenen Jahr auf fast 278 Millionen Euro gestiegen. Er blieb aber noch unter dem Planniveau, da die Energiepreissteigerungen infolge der Energiekrise letztlich doch nicht so hoch ausgefallen sind, wie bei der Wirtschaftsplanung angenommen. Im Vergleich zum Jahr 2020 lag der Umsatz allerdings um mehr als 100 Millionen Euro höher.
Mit welcher Preisentwicklung müssen die Endkunden in Zukunft rechnen? Wenn die Geschäfte gut laufen, könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Energiepreise sinken...
LOMMETZ Ich rechne eher mit einer Stabilisierung der Preise. Sie sind nicht mehr so hoch wie in den Spitzenzeiten der Energiekrise, sind aber von dem Niveau der Vorkrisenzeit noch weit entfernt. Dass dieses Niveau in Zukunft wieder erreicht wird, ist wenig realistisch. Das gilt für den Markt insgesamt, wie auch für die Stadtwerke. Als Grundversorger müssen wir zudem alle beliefern, auch diejenigen, denen von anderen Unternehmen, etwa Billiganbietern, in der Krise die Verträge gekündigt wurden. Das heißt: Wir müssen auf Sicht bestimmte Mengen Gas und Strom einkaufen. Das macht die Stadtwerke verlässlich – auch in Krisenzeiten. Außerdem konnten wir im vergangenen Jahr zwei Mal die Preise senken. Grundsätzlich gilt: Die reinen Strompreise werden tendenziell etwas günstiger, dafür steigen die Kosten für die Leitungsnetze, denn dafür müssen im Rahmen der Energiewende extrem hohe Investitionen getätigt werden.
Bleiben Ihnen die Kunden, die in der Hochphase der Krise zu den Stadtwerken gewechselt sind, erhalten?
LOMMETZ Teils, teils. Gerade im gewerblichen Bereich, in Industrie und Mittelstand, konnten wir Kunden gewinnen und auch halten. Bei manchen Privatkunden, die früher bereits häufiger den Versorger gewechselt haben, und für die wir noch 2022 das rettende Ufer waren, beobachten wir, dass sie sich erneut nach Billiganbietern umsehen – trotz teilweise extrem negativer Erfahrungen. Da ist die Krise anscheinend sehr schnell vergessen.
Wie reagieren Sie darauf?
LOMMETZ Wir stellen uns dem Wettbewerb, keine Frage. Dazu gehören auch unsere neuen Tarife mit Treuerabatt, mit denen die Kunden bis zu 15 Prozent sparen können.
In welchem Umfang setzen die Stadtwerke Neuss konkret auf erneuerbare Energien?
LOMMETZ Unsere beiden eigenen Windräder bei Neuss-Hoisten befinden sich inzwischen seit über sieben Jahren im Regelbetrieb und produzieren seitdem CO2-freien Strom. Derzeit planen die Stadtwerke konkret den Bau von mehreren Windenergieanlagen auf Neusser Stadtgebiet. Über Kooperationen sind die Stadtwerke Neuss zudem an der Erzeugung von erneuerbarer Energie in Deutschland beteiligt. An der Thüga Erneuerbare Energien GmbH (ThEE) halten die Stadtwerke Neuss rund neun Prozent der Anteile. Der hier produzierte Strom aus neun Solarparks und 179 Windrädern beträgt 610 GWh und reicht
Mitarbeiter Im Durchschnitt beschäftigten die Stadtwerke Neuss 2023 rund 680 Mitarbeiter. Bei den Stadtwerken Neuss und der „Schwester“InfraStruktur Neuss erlernten im vergangenen Jahr rund 40 junge Menschen einen Beruf.
Investitionen Die Gesamtinvestitionen der Stadtwerke Neuss lagen im Jahr 2023 ohne Finanzanlagen bei rund 29,7 Millionen Euro.
Wertschöpfung Die Stadtwerke Neuss leisten, so das Unternehmen, über den erzielten Jahresüberschuss hinaus einen wesentlichen Anteil zur
aus, um rund 244.000 Haushalte zu versorgen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 85.000 Megawattstunden Strom durch Erneuerbare-Energien-Anlagen und Beteiligungen der Stadtwerke Neuss bereitgestellt. Dies entspricht einer CO2-Ersparnis von rund 32.000 Tonnen CO2.
Viele Neusser sind verunsichert, weil sie nicht wissen, mit welcher Technik sie in Zukunft heizen sollen. Die Kommunale Wärmeplanung soll Hinweise geben, mit welchen Versorgungsangeboten in den einzelnen Stadtquartieren zu rechnen ist. Die Stadtwerke arbeiten dazu mit der Stadt zusammen. Wann gibt es erste Ergebnisse? THOMAS WALKIEWICZ Gemeinsam mit einem externen Dienstleister arbeiten wir an einer Bestandsund Potenzialanalyse. Der Bestand, also Bausubstanz und energetischer Zustand von Gebäuden, Heizungstechnologien, Verbrauch, Wärmebedarf etc., ist inzwischen erfasst.
Daseinsvorsorge in Neuss. Rechne man die Übernahme der Verluste aus den defizitären Bereichen Bäder und Eissporthalle, den ÖPNV, die Konzessionsabgaben und Steuern hinzu, so ergebe sich durch die Tätigkeiten der Stadtwerke Neuss allein im Jahr 2023 eine Rekord-Wertschöpfung für die Stadt von über 32,7 Millionen Euro.
Gewinnverwendung Der Aufsichtsrat der Stadtwerke hat der Gesellschafterversammlung empfohlen, vom Jahresüberschuss rund 4,95 Millionen Euro im Unternehmen zu belassen. Fünf Millionen Euro sollen an die Stadt ausgeschüttet werden. Die Gesellschafterversammlung ist diesem Vorschlag gefolgt.
Jetzt geht es darum, die Potenziale zu analysieren. Wo gibt es zum Beispiel Strukturen, in denen der Aufbau eines Wärmenetzes Sinn machen würde, wo wären eher Einzellösungen, etwa über Wärmepumpen, die geeignete Technologie? Im Spätsommer werden wir erste Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren können. Damit ist die Kommunale Wärmeplanung allerdings noch nicht beschlossen. Es folgen zunächst die politischen Beratungen, dann muss entschieden werden, ob und welche Angebote in den verschiedenen Stadtbereichen gemacht werden sollen. Nach den gesetzlichen Vorgaben muss die Kommunale Wärmeplanung bis Ende 2026 beschlossen sein. Wir sind in Neuss, zeitlich betrachtet, auf einem guten Weg und schon weiter als viele vergleichbare Großstädte.
Themenwechsel: Wie geht es mit dem Ausbau der Elektromobilität voran?
WALKIEWICZ Wir bauen die Elektromobilität in Neuss weiter stark aus. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 waren insgesamt bereits über 700 Ladepunkte auf Neusser Stadtgebiet installiert, rund 100 mehr als im Vorjahr. Die Ladesäulen befinden sich im öffentlichen, halböffentlichen als auch schwerpunktmäßig im gewerblichen und privaten Bereich. Neben den bekannten Ladesäulen wollen wir in Zukunft auch auf Ladepunkte direkt an speziellen Bordsteinen setzen. Der Hersteller lässt die entsprechende Technik derzeit noch ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen und auch die Eichrechtskonformität feststellen. Ist das abgeschlossen, wollen wir die „Ladebordsteine“auch in Neuss nutzen. Gerade an Engstellen spart das Platz im Parkraum und auf Gehwegen. Zudem werden wir 2024 erstmals auch Schnellladesäulen anbieten. Dazu gibt es ein Projekt in Kooperation mit dem neuen Aldi hier an der Moselstraße.
Bauen die Stadtwerke ihre Flotte von E-Bussen weiter aus? WALKIEWICZ Die Stadtwerke haben 2023 den ökologischen Umbau und die Modernisierung ihrer Busflotte mit Vehemenz vorangetrieben. Im Stadtgebiet ist weiterhin ein Mix aus Hybrid-Bussen und Bussen mit Elektroantrieb im Einsatz. Insgesamt verfügten die Stadtwerke zum Jahresende 2023 bereits über elf reine E-Busse. Die fortschreitende Elektrifizierung der Busflotte geht mit einer massiven CO2-Einsparung einher. Neben den eigenen E-Sharing-Fahrzeugen haben die Stadtwerke 2023 auch die Stadtverwaltung mit entsprechenden Fahrzeugen ausgestattet.
Wann wird die Busflotte komplett umgestellt sein?
LOMMETZ Bis 2035, an diesem Ziel halten wir fest. Der Aufbau wird in den kommenden Jahren aber etwas langsamer gehen. Wir müssen zunächst weiter in die Ladeinfrastruktur und auch in die nötigen Wagenhallen auf unserem Betriebshof, die für E-Busse höheren Anforderungen genügen müssen, investieren. WALKIEWICZ Um alle Strecken mit E-Bussen abdecken zu können, müssen wir zudem Ladepunkte einrichten, an denen die Busse zwischen den Rundläufen auf ihrer Strecke zehn bis 20 Minuten nachladen können. So sollen sie bis zum Abend ununterbrochen unterwegs sein können. Drei erste Opportunity-Charging-Ladevorrichtungen sind konkret geplant, auf unserem Betriebshof, an der Further Schleife und am Rheinpark-Center. Weitere werden folgen.
Wie hat sich die ÖPNV-Nachfrage in Neuss entwickelt?
WALKIEWICZ Die Verkehrsbetriebe der Stadtwerke Neuss haben im Jahr 2023 insgesamt 18,2 Millionen Fahrgäste befördert. Das sind rund 800.000 mehr als im Vorjahr, aber immer noch weniger als vor Ausbruch der Pandemie. Ein großer Teil der bisherigen Abo-Kunden hat sich für das im Mai 2023 gestartete DeutschlandTicket entschieden.
Die Finanzierung des DeutschlandTickets ist allerdings nicht auf Dauer gesichert...
LOMMETZ Genau das macht uns durchaus Sorgen. Derzeit werden Mindereinnahmen der Verkehrsbetriebe von der Öffentlichen Hand ausgeglichen, allerdings zunächst nur bis 2025. Wir versuchen, das DeutschlandTicket auch als Jobticket Unternehmen für deren Mitarbeiter anzubieten. Damit Firmen darauf einsteigen, brauchen sie jedoch Planungssicherheit mit Blick auf die zu erwartenden Kosten. Die gibt es derzeit leider nicht. Hier sind Bund und Länder gefragt.
Wie läuft der ÖPNV „On-Demand“mit den „NEmo“-Fahrzeugen, der im Februar gestartet wurde? LOMMETZ Grundsätzlich gut: Die Fahrzeuge stehen zur Verfügung, viele Neusser haben die entsprechende App heruntergeladen, die Zufriedenheitsbewertungen der Nutzer sind exzellent. Allerdings stellen wir fest, dass viele, die die App heruntergeladen haben, noch nie mit „NEmo“unterwegs waren. Auch bemerken wir, dass die Zahl der Buchungen zurückgeht, wenn die zum Start gewährten Freifahrten aufgebraucht sind. Um das Angebot dauerhaft zum Erfolg zu führen, bräuchte es eine höhere Auslastung. Wir werden darauf mit verstärkten Werbemaßnahmen reagieren, um „NEmo“noch bekannter zu machen.
Noch einmal ein Themenwechsel: Die Stadtwerke sind auch Betreiber von Bädern und Freizeiteinrichtungen. Wie lief es 2023?
LOMMETZ Die Freizeiteinrichtungen der Stadtwerke verzeichneten 2023 nahezu 700.000 Gäste in den drei Schwimmbädern, der Eissporthalle und der Saunalandschaft Wellneuss. Die Besucherzahl hat sich damit weiter dem Vor-Corona-Niveau angenähert. Damit einhergehend stiegen auch die Umsätze um rund 19 Prozent auf 7,6 Millionen Euro. Unterdessen gehen – mit externer Unterstützung – die Arbeiten an einem zukunftsfähigen Bäderkonzept für Neuss weiter. Mit Blick auf die sanierungsbedürftige Eissporthalle haben die neuen Eigentümer der Skihalle signalisiert, die Idee für den Bau einer neuen Halle auf ihrem Gelände weiter prüfen zu wollen. Bis dazu eine Entscheidung gefallen ist, halten wir die Eissporthalle in Reuschenberg mit den notwendigsten Investitionen auf Stand.