Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Doppelmoral in der China-Politik
Ursula von der Leyen gibt sich markig: Europa werde seine Wirtschaft verteidigen, kündigte die EU-Kommissionschefin zum Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping und Emmanuel Macron an. Verteidigung tut not – wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch: Chinas Wirtschaft lahmt und sucht ihr Heil darin, Überschüsse hochsubventioniert auf dem Weltmarkt zu verscherbeln. Zugleich sehen viele EU-Staaten in chinesischen Firmen wie Huawei ein Sicherheitsrisiko und verbannen sie aus ihren Mobilfunknetzen. Doch für eine wirksame Verteidigung fehlt Europa noch einiges – zum einen Einigkeit: Macron würde gerne die subventionierten chinesischen E-Autos mit Strafzöllen belegen. Das will Olaf Scholz nicht, der Pekinger Gegenzölle fürchtet, die vor allem die deutsche Autoindustrie träfen. Wenn es um die Geschäfte von Volkswagen und Co. geht, hört deutsche Solidarität auf. Schon die Reiseplanung von Xi ist ein einziges Symbol der Spaltung: Nach Frankreich besucht er die Russland-freundlichen Staaten Serbien und Ungarn, wo China in großem Stil investiert und die selbst Probleme mit dem Rechtsstaat haben.
Zum anderen fehlt Konsequenz: Deutsche Politiker halten gerne die moralische Latte hoch und kritisieren zu Recht Menschenrechtsverletzungen, unfaire Handelspraktiken und Hilfe für Russland, das von China Kriegsgüter erhält und dort sanktionierte Waren verkaufen darf. Doch die Realität von Konsum und Produktion sieht in Deutschland anders aus: Deutschen Verbrauchern ist das günstige Handy aus China wichtiger als faire Spielregeln, der deutschen Industrie sind günstige Vorprodukte made in China heilig. Der Ruf nach Entkoppelung von China ist naiv, De-Risking liegt dagegen im ureigenen Interesse der Deutschen, wenn sie weiter denken als bis Wolfsburg. Nicht zuletzt die Erfahrung mit Pandemie und russischem Gas zeigen, wie gefährlich wirtschaftliche Abhängigkeiten sind.