Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Musiker spielen 12.250 Euro für Verein „Linas Rollis“ein
Volles Zelt in Wevelinghoven: 940 Konzertbesucher lauschen der Marschmusik von zwölf Tambourkorps und vier Musikkapellen.
WEVELINGHOVEN Nach fast siebenjähriger Pause hat es am Freitagabend wieder ein „Festival der Marschmusik“in Grevenbroich gegeben, und zwar im großen Festzelt auf dem Wevelinghovener Marktplatz. Die Musikgemeinschaft Grevenbroicher Tambourkorps hatte zu dem Benefizkonzert geladen – und hätte vielleicht sogar noch ein zweites Zelt füllen können. Denn die 940 Eintrittskarten waren rasch verkauft, das Zelt im Herzen der Gartenstadt war folglich rappelvoll. Und ausgesprochen gut beheizt.
So waren Kaltgetränke stark gefragt, als die insgesamt zwölf Tambourkorps und vier Musikkapellen (zusammengerechnet 500 Musiker) über mehrere Stunden hinweg Einblick in ihr Portfolio gaben. Die Formationen bewiesen, dass sie weit mehr auf Lager haben als die üblichen Schützenfest-Klänge, mit denen sie gern in Verbindung gebracht werden.
Tatsächlich stand ein denkbar bunter Mix auf dem Konzertplan: So ließ beispielsweise das Tambourkorps Elsen unter Führung von Tambourmajor Richard Hanke Opernmelodien des Giuseppe Verdi erklingen. Eine ganz andere Richtung schlug die Musikkapelle „Blüh auf Frimmersdorf“ein. Die Musiker um Kapellmeister Robin Gansen widmeten sich in einem Medley den kölschen Klängen der Bläck Fööss.
Am Abend gab es viele weitere Höhepunkte. Zu nennen wäre da auch der Auftritt der Jägerkapelle Hochneukirch um Daniel Flachsenberg, die den „Kaiserin-Sissi-Marsch“auf die Bühne brachte. Beim großen Finale zu später Stunde traten dann Abordnungen aus allen Korps und Kapellen gemeinsam auf: rund 200 Musiker auf einen Streich – ein Ohrenschmaus für die Fans der Marschmusik. Insgesamt standen 26 Märsche auf dem Plan, von „traditionell
bis modern“, teils selbst arrangiert. Durch das Programm führten die Moderatoren Sebastian Kriese, Stefan Göddertz und KarlHeinz Bindseil.
Bei der Veranstaltung, die von der 2002 gegründeten Musikgemeinschaft um den Grevenbroicher Rainer Effertz organisiert worden war, ging es aber nicht bloß ums Musikhören.
Es ging darum, die Begeisterung für die Kunst der Marschmusik mit dem guten Zweck zu verbinden. So ging der Erlös aus dem Kartenverkauf (nach Abzug der Kosten etwa für Licht, Ton, Gema und Security) an den in Jüchen-Hochneukirch beheimateten Verein „Linas Rollis“, der Familien mit speziell für Kinder gefertigten Rollstühlen ausstattet und ihnen darüber hinaus mit Hilfsmitteln zur Seite steht (wenn sich Krankenkassen etwa sträuben, Kosten zu übernehmen). Das Mädchen Lina, selbst eine Freundin der Marschmusik, und ihr Großvater Detlef Jackels konnten am Abend einen Scheck über 12.250 Euro für den Verein entgegennehmen – die größte Einzelspende, die er je erhalten hat.
Detlef Jackels hatte vor Beginn des Benefizkonzerts erklärt, dass die Begünstigung eine tolle Überraschung gewesen sei. Die Jägerkapelle Hochneukirch habe den Namen „Linas Rollis“ins Spiel gebracht. Das Geld soll nicht nur für den Bau kindgerechter Rollstühle eingesetzt werden, sondern auch für das Programm „Lina hilft“. Dabei werden Familien mit entsprechendem Bedarf beispielsweise teure Therapiestühle als Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Das Volkstümliche mit dem Karitativen kombinieren: Das hat ganz offensichtlich auch viele jüngere Menschen am Freitagabend ins Wevelinghovener Zelt geführt. Ein Beispiel: Lukas Esser. Er begibt sich gern auf die „Spuren des Brauchtums“. Als Musikbeauftragter des BSV Stadtmitte nutzte er die Gelegenheit, mit Musikern ins Gespräch zu kommen. Bekanntlich sinkt die Zahl der Kapellen seit Jahren; die Akquise fürs Schützenfest wird schwieriger. Wenn für 2024 auch schon alle Verträge unterzeichnet sind, „ist es eine gute Möglichkeit, neue Gruppen kennenzulernen“, sagte Esser.
Probleme mit gefälschten Eintrittskarten hatte es beim Einlass übrigens nicht gegeben. „Es kam kein einziger Besucher mit einem Online-Ticket“, sagte Organisator Rainer Effertz erleichtert. In den Tagen vor dem Konzert hatten Betrüger versucht, im Internet Fake-Tickets für die ausgebuchte Veranstaltung zu verkaufen. Die Warnungen vor der Masche hatten offenbar gefruchtet.