Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Für jede Spielzeit eine Farbe
Frank Kurella ist der Fahrer des RLT zu den Abstechern. Bis zu sieben Personen darf er befördern. Mal fährt er morgens um sieben Uhr los, mal nachmittags um 15 Uhr.
NEUSS Die genaue Anzahl hat er natürlich im Kopf. „280 T-Shirts und 60 Hoodies“, sagt Frank Kurella lachend, „meine Frau schlägt die Hände überm Kopf zusammen.“Jede Spielzeit hat im Rheinischen Landestheaters (RLT) ihre Farbe – die Aktuelle ist grün, also hat das Emblem vorne auf dem T-Shirt von Frank Kurella auch diese. Denn für jede Spielzeit gilt: Der „Fahrer des RLT Neuss“erscheint in der passenden Farbe. Kappen und Trinkflaschen gehören auch dazu.
Frank Kurella ist der Fahrer des Rheinischen Landestheater zu den Abstechern. Bis zu sieben Personen darf er befördern, in einem Auto, das entsprechend dieser Anzahl zugelassen ist, und für das er den Führerschein hat. Und den Personenbeförderungsschein. „Für alles andere, die größeren Geschichten, ist eine Firma zuständig“, sagt er. Nachteil sei nur, dass der Fahrer wechseln könnte, das aber kann bei ihm nicht passieren.
Denn Frank Kurella fährt immer, egal, ob morgens um sieben die Abfahrt terminiert ist oder nachmittags um 15 Uhr. „Sehr unterschiedlich“, so sagt er, sei er unterwegs. „Mal geht es nur nach Grevenbroich, mal nach Schwäbisch Hall.“
Kurella fährt vor allem die kleineren Produktionen, zum Beispiel die der Reihe „@WhiteBoxX“. So kann er sich auch noch an „Woyzeck“erinnern, den er sehr oft gesehen hat. Denn Kurella füllt seine Zeit auf den Abstechern mit dem Schauen der Vorstellungen. Auf diese Weise kommt der Neusser, der 1995 in die Stadt kam und dort mittlerweile als „Allrounder“bekannt ist (er ist Schütze, Sänger und Autor historischer Krimis und eines Comics über Neuss im Mittelalter), in 2023 auf 35 Vorstellungen: „Die Spitze waren 46 Vorstellungen in einer Spielzeit“, sagt er. Er mag die „unterschiedlichen Blickwinkel, denn die ,Verwandlung’ aus Reihe 5 vorn sieht ganz anders aus als aus der dritten Etage eines Globe in Schwäbisch Hall.“Aber er lobt die Schauspieler: „Sie liefern überall alles in gleich guter Qualität ab, sind mit der gleichen Spielfreude dabei.“
Kurella macht mehr als nur Fahren. Er ruft schon mal in Hotels an und bestellt dort Zimmer zur Übernachtung. Oder er hält die Speisekarten von verschiedenen Restaurants, um die er sich gekümmert hatte, schon mal im Bus bereit, oder er stellt überhaupt eine Auswahl an Restaurants zu Verfügung und weiß auch genau, was es an vegetarischen Gerichten nach der Vorstellung noch gibt... „Ich bin mehr ein Guide“, sagt er, „als nur der, der die Schauspieler von A nach B bringt.“
Zu seinen eindrücklichsten Erinnerungen gehört auch jener Schauspieler (Namen nennt Kurella grundsätzlich nicht), der sich, nachdem er neun Monate nicht gespielt hatte (die Proben waren krankheitsbedingt ausgefallen), „den Text auf der Fahrt draufgepackt hatte“. Nicht auszuschließen, dass der Schauspieler ganz froh war, dass die Fahrt nach Meschede im Sauerland etwas länger dauerte ...
42 Jahre hatte Frank Kurella bei einer Bank gearbeitet. Nichtstun aber lag ihm nicht, und so spielte er als Statist, als Kleindarsteller, auf Geheiß von Eva Veiders (stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin) in Hauptmanns „Ratten“mit („ich bin damals auf 150 Probestunden
gekommen“) und kam dann mit der Disponentin Verena Hagedorn ins Gespräch, die noch einen Fahrer suchte. So kam er zum neuen Job. Bezahlt wird ihm nur die reine Fahrzeit, alle Stunden, die er damit verbringt, sich die Vorstellungen (noch einmal) anzuschauen, seien freiwillig und unbezahlt. Und wenn Übernachtungen anfallen? „Die werden vom Veranstalter bezahlt.“
„Wir haben in 2023 ein Fahrsicherheitstraining Jahr gemacht“, sagt Kurella, und mit „Wir“meint er die Lkw-Fahrer, mit denen er sonst nur wenig zu tun hat. „Wenn die Schauspieler und ich – es kann auch mal jemand von der Regie oder Theaterpädagogik dabei sein – kommen, ist meistens schon alles fertig.“
Das betrifft auch die Kindervorstellungen, von denen vor Weihnachten viele zu Abstechern eingeladen wurden. „Morgens mit ,Das schrillste Blau’ vor 120 Kindern, die schon mal öfter ins Theater gehen, und dann vor 120 Kindern, die selten im Theater sind“, erzählt er – und findet da die Reaktionen besonders spannend.